Gran Canaria - Ein Reisebericht


18. August 2007 - Steffi erzählt



Jetzt bin ich schon gut zweieinhalb Wochen von meinem letzten Kurztrip nach Gran Canaria zurück. Und irgendwie weiß ich immer noch nicht so richtig mit der Erfahrung umzugehen.
Es war ja das erste Mal, dass ich nicht alleine in der Perrera war, sondern von Elke, Dirk und Silke begleitet worden bin.


Eine interessante Erfahrung.
Zu sehen, wie gehen Menschen mit denen ich eng zusammen arbeite, mit der Situation in der Perrera um.

Sowohl Dirk und Elke, als auch Silke haben ja bereits einen eigenen Bericht geschrieben.
Aus diesen wird sehr deutlich, wie unterschiedlich die Menschen den Aufenthalt vor Ort verarbeiten.

Beim Lesen der Bericht kam in mir die Überlegung auf, wie ich eigentlich mit dem Perrera- Aufenthalt umgehe.
So ganz persönlich.
Bin ich herzlos und gefühlskalt?
Hm...
Emotionslos?
Hm...

Möglicherweise erscheint es einem Außenstehenden so, wenn er mich in den Zwingern stehen sieht.
Vierzig – Fünfzig Hunde wuseln um mich herum.


Jeder bettelt um Aufmerksamkeit.


Gerne würde ich für alle, alle, alle ein neues Körbchen finden.


Doch ich KANN nicht alle retten.


Bei der geballten Fröhlichkeit und Lebenslust, die manche Hunde an den Tag legen, fällt es unendlich schwer...


NEIN zu sagen.


Mein Herz schlägt ganz besonders für die Podencos.


Jeder, der KG eine kleine Weile verfolgt, weiß das.


Aber für Podencos ein passendes Körbchen zu finden ist schwierig. Denn Podencos entsprechen von Ihrem Wesen her nicht dem „typischen, deutschen Familienhund“.
Man kann nicht ans Feld gehen, sich die Leine um den Hals hängen, die Hände in die Tasche stecken und 30 Minuten hoch und runter schlendern.
Das heißt, man kann schon, aber dann ist der Podi im Regelfall auf Nimmerwiedersehen verschwunden.
Nein, ein „typisch deutscher“ Hund ist der Podenco nicht. Gerade deshalb liebe ich sie so. Aber das gehört nicht an diese Stelle.

Wer mein Herz noch besonders berührt, sind alte Hunde.


Hunde, die ein beschissenes Leben hinter sich haben. Die es verdient haben, ENDLICH einmal die „sunny side of life“ kennen zu lernen.
Menschenhände können auch zärtlich sein.


Wenn ein solcher Oldie ein Zuhause findet, ist es für mich jedes Mal ein kleines Wunder.
Und es dauert LANGE.

Genau das ist das Problem, dass ich persönlich bei jedem Perrera- Aufenthalt habe.
Nach welchen Kriterien suche ich aus?
Wie entscheide ich, wer leben darf und wer an einem Mittwoch eine Spritze bekommt?
Ich kann nicht alle retten.


All diese Zwerge sitzen in einem der Mittwochszwinger.


Und die auch...


Niemand will die Entscheidung treffen, wer leben darf.
Wer ein Mittwochshund ist.

Aber ich MUSS diese Entscheidung treffen.
Hab keine Angst, kleiner Hund, Du wirst leben.


Ja, kleiner Hund, ich suche ein Zuhause für Dich.
Wir haben gottseidank eine Pudelfreundin im Team.


Schmeichel Dich ein, kleiner Hund.
Dirk nimmt Dich nächste Woche im Handgepäck mit.


Du hast gut lachen kleiner Hund.
Deine Leute warten schon auf Dich.


Kleiner Hund, kleiner Hund, kleiner Hund...


Entscheidungen müssen getroffen werden.
Und wenn sie getroffen sind, müssen sie akzeptiert werden.
Das ist das Schlimme an dem „Job“.

Gerne würde ich alle retten.
Genau, wir machen die Perrera komplett leer.
Alle in den Flieger.
Alle nach Deutschland.
Alle gerettet.
Und dann?

Jede Woche kommen 70 bis 80 Hunde rein.
Einige werden vor Ort vermittelt, andere sind zu krank, zu alt, zu verletzt, um zu überleben.
Rechnen wir mal, dass jede Woche 50 Hunde in die Perrera kommen und bleiben.
250 Hunde finden Platz in der Perrera.
Das heißt, es wird fünf Wochen lang keinen Mittwoch geben.
Und dann?
Dann ist die Perrera voll.
In der nächsten Woche kommen aber wieder 50 Hunde rein.
Wohin mit denen?
Noch in die Gehege dazu?
Das gibt Mord und Totschlag unter den Hunden.
Sie beißen sich gegenseitig tot.
Ist DAS dann Tierliebe?

Wie entscheidet man über Leben und Tot?
Emotionslos.
Sonst geht man selbst kaputt.

Meine Entscheidung treffe ich ausschließlich mit dem Kopf.
Viele kleine, schnell vermittelbare Hunde.


Alle Farben.


Für jeden Geschmack was dabei.
Damit ich möglichst vielen Hunden helfen kann.


Dann ein paar große Hunde.


Die nicht so gängig sind.


Die brauchen schließlich auch ein Zuhause.
Und ich kann nicht nur die Süßen, Kleinen Wuschel vermitteln.
Der Hund kann schließlich nichts dafür, ob er 35 oder 55 cm lange Beine hat.

Und dann setzt der Verstand aus.


Die Hündin ist alt.


Kein Fell auf dem Rücken.


Ein großer Tumor zwischen den Hinterbeinen.


Aber die alte Lady hat mich voll getroffen.
Mitten ins Herz.
Außerdem gibt es da jemand, der vor nicht allzu langer Zeit eine alte, kranke Lady über den Regenbogen gehen lassen musste.
Diese alte, kranke, ungewollte Hündin hat ihre Chance verdient.

Und damit beantwortet sich eigentlich meine Frage.
Nein, ich bin nicht gefühlskalt und herzlos.

Entscheidungen müssen getroffen werden.
Diesen Job haben Andrea und ich übernommen.
Und Entscheidungen müssen akzeptiert werden.


Es wird getan, was uns möglich ist.
Aber wir können nicht alle Hunde retten.


Noch ein Wort zu den Hunden auf den Fotos.
Einige haben den Mittwoch nicht überlebt.
Einige sind auf der Insel vermittelt worden.
Einige sind noch auf der Suche nach einem Körbchen.
Einige haben bereits ein neues Körbchen in Deutschland gefunden.

Aber wie auch immer das Schicksal ausgegangen ist.
Es ist so.