Kaum kneift man einmal die Augen zu, weil man zu stürmisch geküßt wird, schon ist ein halbes Jahr rum.
Es ist wirklich unglaublich, wie die Zeit rast.
Da muß man richtig große Sprünge machen, um mitzuhalten.
Und trotzdem streckt einem die Zeit zwischendrin die Zunge raus.
Sie läuft einem einfach davon, die Zeit.
Wie bei Aaron.
Da hatten wir den Podencorüden ausgesucht, getauft, in einen unserer "sicheren Zwinger" umgesetzt - und dann hat er sich ein Hinterbein gebrochen.
Keine Chance.
Die Trauer sitzt tief.
Auch um all die anderen, wundervollen Hunde, die in den letzten sechs Monaten gestorben sind.
Und die Trauer um die, die in den kommenden sechs Monaten sterben werden.
Nach wie vor müssen Andrea und ich Entscheidungen treffen.
Der Hunde-Nachschub, der von den Hundefängern in die Tötungsstation geliefert wird, nimmt kein Ende.
Manche sind kaum noch als Hund zu erkennen...
Bei manchen kommen beim Anblick eines Menschen so schrecklicher Erinnerungen hoch, daß sie sich am liebsten in ein Mauseloch verkriechen würden.
Manchmal kommen hochträchtige Hündinnen in die Tötung.
Innerhalb der 21-Tage- Frist darf nichts unternommen werden, denn es könnte ja sein, daß sich der Besitzer meldet und die trächtige Hündin zurück will.
Passiert selten, aber so sind die Gesetze.
Also werden Welpen in der Tötung geboren, deren Schicksal oft schon besiegelt ist.
Da ist es manchmal wirklich schwer die Hoffnung nicht aus dem Blick zu verlieren.
Und dann ist da noch die allgemein schwierige Situation hier in Deutschland.
Viele Dinge kommen zusammen.
- Aufgrund eines neuen Gesetzes mußte der WDR / Tiere suchen ein Zuhause sein virtuelles Vermittlungsportal schließen. Wie viele Hunde und Katzen darüber ein neues Körbchen gefunden haben, kann ich gar nicht sagen. Auf jeden Fall waren es viele. SEHR viele.
Natürlich gibt es auch andere Vermittlungsportale. Aber die sind den "einfachen Körbchengebern", den Menschen die nicht mit dem Thema Auslandstierschutz vertraut sind, nicht bekannt und müssen sich erst langsam etablieren.
Die KG'ler haben versucht das mit Zeitungsinseraten und Aushängen in Supermärkten etc. (Rubrik Flyer) abzufangen. Aber es ist nur bedingt gelungen.
Die Menschen, die ein freies Körbchen haben, erfahren einfach nicht, daß hier wundervolle Hunde und Katzen auf Körbchensuche sind.
- Allerdings ist die Zahl der freien Körbchen in den letzten Monaten insgesamt massiv zurück gegangen. Die Wirtschaftskrise hat zugeschlagen. Die Menschen wissen nicht, wie es mit ihren Jobs weiter geht, wie sie ihr Leben finanzieren könen. Da schafft man sich dann nicht noch einen Kostenverursacher - also einen Hund an.
Die Einstellung finde ich absolut in Ordung. Ist mir viel lieber, als wenn der Hund in 8 Wochen aus der Vermittlung zurück kommt, weil das Geld nicht reicht.
Dennoch fehlen die freien Körbchen.
- Und wenn doch ein Körbchen frei ist, trauen sich viele Menschen nicht mehr einen Hund aus dem Ausland zu adoptieren. Immer wieder gehen Berichte durch die Medien, daß "unsauber" gearbeitet wird. Kranke Hunde werden vermittelt, viel zu junge Welpen werden illegal eingeführt. Und daß Schlimme ist, daß diese Berichte auch noch eine traurige Wahrheit wieder spiegel.
Im Auslandstierschutz gibt es mittlerweile jede Menge "schwarze Schafe" - Menschen, die sich unter dem Deckmantel des Tierschutz bereichern.
Außerdem sind jede Menge Vermittler / Organisationen / Vereine aus dem Boden geschossen. Menschen, die "Hunde retten um jeden Preis", aber keine Ahnung von der Materie haben. Hauptsache, der Hund ist raus aus Spanien. Wenn man aber ganz einfache Fragen zum Thema Impfung stellt, erntet man nur ein Schulterzucken.
Logisch, daß die Menschen, die ein Körbchen frei haben, total verunsichert sind.
Mit all den großen und kleinen Problemen haben wir im Augenblick zu kämpfen.
2009 ist ein sehr mühsames Jahr.
Gut, daß hin und wieder ein paar tröstende Streicheleinheiten kommen.
Und wenn's kompliziert wird, und wir mal mit dem Kopf durch die Wand müssen, haben wir gottseidank "tiersiche Unterstützung".
Manchmal arbeitet man auch auf der Insel unter "erschwerten Bedingungen".
Aber Andrea beißt sich durch.
Jede Woche fährt sie in die Perrera.
Sie sorgt dafür, daß neue Körbchensucher vorbereitet werden.
Die Hunde werden ausgesucht, fotografiert, medizinisch durchgecheckt, geimpft, gechipt, kastriert, auf Filaria getestet (und gegebenenfalls behandelt), und, und, und...
Das alles geht natürlich nicht auf einmal, sondern immer in Abständen, damit die unterschiedlichen Medikamente und Wirkstoffe nicht miteinander reagieren.
Denn gespottet und entwurmt wird ja auch noch.
Es sind permanent fünf bis zehn Hunde irgendwo in der medizinischen Vorbereitung, von denen noch keiner was weiß.
Dann muß sie sich noch um die Körbchensucher kümmern, die schon in den sicheren Zwingern sitzen.
Sie betreut die Flugpaten, organisiert die Flughafenfahrten, und, und, und...
Außerdem versucht Andrea ja nicht nur unseren "KG-Hunden" zu helfen, sondern steht für alle Belange der Perrera als Ansprechpartner zur Verfügung.
Wie können Vorgänge optimiert werden?
Wie kann man möglichst vielen Hunden helfen?
Die Katzen nicht zu vergessen...
Und alle vier Wochen schlage ich auf der Insel auf und will auch noch dies und das und jenes.
Was hier wie "gemächliches Geplätscher" aussieht, ist auf der Insel zeitintensive Arbeit.
Zudem muß man bedenken, daß die "Hundehilfe" Andreas HOBBY ist.
Sie hat - so ganz nebenbei - noch einen Job und eine Familie.
Mann und Tochter rebellieren schon, weil sie Andrea so selten zu Gesicht bekommen.
Um das wenigstens ein bißchen abzufangen, habe ich mir eine andere Unterkunft gesucht und leihe mir ein Auto.
Dann kann Andrea wenigstens den Samstag Abend bei ihrer Familie verbringen, wenn wir schon sonntags in aller Herrgottsfrühe in der Perrera anfangen.
Um Andrea mehr Freiraum zu lassen, damit die Familie nicht komplett streikt, werde ich in 2010 auch nicht mehr so oft auf die Insel fliegen.
Wobei ich mir überhaupt keine Sorgen mache.
Es werden auch ohne meine ständigen Besuche reichlich Leckerlie verteilt werden.
Und Vivi hat auch versprochen zu helfen.
Sie wird Andrea mit der Zunge bearbeiten, bevor sie die Perrera verläßt.
Dann braucht sie zuhause nicht mehr duschen - spart Zeit.
Hier übt Vivi gerade mit mir.
Helene war im Frühsommer mit auf der Insel.
Sie hat versprochen, auch weiterhin für die Körbchensucher da zu sein.
Nur einen Podi will sie nicht in Pflege nehmen - dabei waren die drei Damen so nett zu ihr.
Im Augenblick (Ende Oktober 09) ist gerade Lilo (mit dem Leistenbruch aus dem letzten Bericht) in Neuss zu Gast.
Seit 30. August schon.
Auch wenn vom Leistenbruch nix mehr übrig geblieben ist, so ist sie kaum zu vermitteln.
Denn wenn heutzutage jemand einen Hund will, dann nur einen perfekten Hund.
Vor ein paar Tagen war da eine Dame - Mitte 70 - zu der Lilo vom Charakter und vom Alter her prima gepaßt hätte.
Aber nein - Lilo hat ja keinen Schwanz.
Und ein Hund ohne Schwanz ist ja kein Hund.
DAS hingegen ist ein RICHTIGER Hund.
Er fürchtet sich vor nix und schreckt vor nichts zurück.
Davon lassen wir uns inspirieren und anstecken.
Auch wir fürchten uns nicht vor den schlechten Zeiten, die im Moment herrschen.
Und wir schrecken nicht davor zurück, die Ärmel hoch zu krempeln und weiter zu machen.
Wir haben schon SO viel gemeinsam erreicht.
Durch den OP ist die Perrera auf GC fast von anderen Tierärzten unabhängig (außer für komplizierte Operationen und röntgen, etc.)
Aber ALLE Hunde werden nur noch kastriert vermittelt.
Die Welpen haben einen "Gutschein" dabei, daß sie in entsprechendem Alter in der Perrera kostenfrei kastriert werden.
Und das Dank all der KG'ler, die geholfen haben den OP zu finanzieren.
Ich kann gar nicht oft genug...
DANKE
sagen.
Ganz nebenbei hat Andrea die Ärmel noch ein Stückchen höher gekrempelt und eine Katzen- Kastrations-Aktion gestartet.
In Arinaga, Lotty's Wohnort, gibt's eine kleine Katzenpupulation.
10 bis 15 Tiere warten darauf...
...drei Mal täglich von Anwohnern gefüttert zu werden.
Die Leute sind sehr auf das Wohl der Tiere bedacht, haben aber keine Möglichkeit die Katzen kastrieren zu lassen.
Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis die Katzenpupulation wächst.
Diese Kätzin ist hochschwanger.
Das heißt, sie WAR hochschwanger.
Gemeinsam mit den meisten anderen Katzen der Gruppe ist sie kastriert worden.
Die Anwohner haben sie nach und nach eingefangen und zum Tierarzt gebracht.
Theoretisch hätte man den Eingriff auch in der Perrera durchführen können.
Das hätte aber einen ziemlichen Verwaltungsaufwand bedeutet, weil die Medikamente ja verrechnet werden müssen - die Katzen aber gar nicht zur Perrera gehören.
Ja, auch wenn's Spanien ist, das wird so genau kontrolliert.
Finde ich aber auch okay.
Sonst würde jeder mit seinen privaten Tieren vorbei kommen, um sie kastrieren zu lassen.
Das ist nicht Sinn und Zweck der Übung.
Natürlich wäre das auch eine Form von Tierschutz.
Nachwuchsvermeidung.
Aber die Perrera ist keine Tierschutz- Einrichtung, sondern eine Tötungsstation.
Das muß man sich immer wieder vor Augen halten.
Was Andrea, was wir dort bewirken konnten, ist alles aber defintiv NICHT selbstverständlich.
Aber zurück zu den Katzen.
Die Stubentiger sind relativ komfortabel gereist und wurden mit einem Lächeln empfangen.
Nach einem Gesundheitscheck ging's unters Messer.
Und zwei bis drei Tage später, wieder munter und mit einer ordentlichen Portion Antibiotikum ausgestattet, ging's zurück.
Alle haben den Eingriff prima überstanden.
Leider sind noch nicht alle Katzen in die Falle gegangen.
Und eine Kätzin hatte Babys und säugt noch.
Ein bißchen was gibt's also noch zu tun.
Trotzdem haben wir schon eine Abrechnung.
Der Doc hat uns einen super Preis gemacht.
Und "nur" sieben Katzen in Rechnung gestellt.
Solche Deals gefallen natürlich den anderen Tierärzten nicht.
Deshalb verrate ich nicht, wo wir die Katzen kastrieren lassen haben.
Es gibt aber tatsächlich auch auf der Insel Tierärzte, die die Gebührenordnung ein bißchen "beugen", damit den Straßenkatzen geholfen wird.
Und das beste - in einer anderen Ecke der Insel haben wir (hat Andrea) noch einen Doc gefunden, der so eingestellt ist.
Das nächste Katzen- Kastrations-Projekt kommt also ganz bestimmt.
Es tut sich also unheimlich viel, obwohl man es hier bei KG nicht so richtig mitverfolgen kann.
Und ich kann auch nicht permanent erzählen, was im Hintergrund so läuft.
Weil ich ja gemeinsam mit Andrea gucken muß, daß der Hintergrund "am laufen bleibt".
Manchmal rauchen uns ganz schön die Köpfe.
Aber es lohnt sich.
Und wenn nicht noch irgendwas saublödes dazwischen kommt, werfen verdammt große Ereignisse bereits klitzekleine Schatten voraus.
Es lohnt sich also KG und GC die Stange zu halten - auch wenn's im Augenblick schwer fällt.
Die Körbchensucher aus der Tötung verlassen sich drauf, daß die KG'ler ihnen auch weiterhin hilfreich die Pfoten halten.
Und ich verlasse mich auch drauf.
Denn alleine habe ich keine Chance...