Lindas Geschichte


Juli 2005


Oktober 2004 Es war absehbar, daß es in einigen Wochen Winter werden würde. Und, man soll es nicht glauben, auch auf Ibiza ist der Winter kalt und unangenehm. Temperaturen um den Gefrierpunkt sind normal. Durch das Seeklima ist die Luft klamm und kalt. Richtig unangenehm. Da sehnt sich jeder Hund nach einem warmen, weichen und kuscheligen Körbchen. Ganz besonders lagen uns die alten Podenco-
Ladies am Herzen. Marie hatte im Sommer den Anfang gemacht und war nach Deutschland in ein neues Zuhause gezogen. Und auch für die anderen Podencas mußte es doch möglich sein, ein Happy End zu organisieren. Wir waren wild entschlossen, es zumindest zu versuchen. Und so „bestellten“ wir bei Christiane die erste, der alten Ladies. Eigentlich sollte es Ormita sein. Doch Linda hatte da andere Pläne. Schwupp die Wupp hatte sie sich in die Kiste gemogelt. Dabei war Linda eigentlich überhaupt nicht mehr für den „Versand“ nach Deutschland vorgesehen. Denn Linda lebte schon seit vielen Jahren in einem Erdloch auf der Finca. Sie war uralt. Mindestens. Doch Linda ließ sich von ihren Reiseplänen nicht mehr abbringen. Und so landete statt Ormita eben Linda in Düsseldorf. Uns war’s egal.
Linda war mehr als zufrieden und begann ein neues Leben. Als erstes lernte sie auf gemütlichen Spaziergängen die Umgebung kennen. Sie war begeistert. Endlich neue Abenteuer. Endlich Action. Endlich wieder Hasen in ihrem Leben. Okay, sie rannte nicht hinterher. Aus dem Alter war sie raus. Aber geguckt hat sie mehr als interessiert.
Nach dem Spaziergang ruhte Linda sich aus. Nicht, wie andere Hunde, in einem gemütlichen Körbchen. Nein, Linda zog in einen Pappkarton. Hm... Nun, jeder wie er will. Uns war’s egal. Und Linda war selig. Bloß war sie eigentlich für diesen Pappkarton zu füllig. Und da sie mit großer Begeisterung jeden Nachmittag um 15.30 Uhr einen Snack (getrocknetes Rinderdörrfleisch) zu sich nahm, war absehbar, daß sie auch nicht dünner werden würde. Und so ging ein Pappkarton nach dem anderen zu Bruch. Jedesmal war Linda mehr als traurig. Und so überredeten wir sie schließlich doch, in ein Körbchen zu ziehen.
Dann kam der Tag, an dem wir dachten, Lindas Schicksal wäre besiegelt. Wir hatten eine alte Liegestelle untersuchen lassen, weil sie sich immer wieder veränderte. Die Diagnose war niederschmetternd. Krebs. Vielleicht würde Linda Weihnachten noch erleben. Vielleicht auch nicht. Denn der Tumor bestand aus zwei Sorten Krebs, von der eine sehr häufig in die Lunge streut. Damit war für uns klar, Linda war nicht mehr vermittlungsfähig. Sie würde bis Weihnachten hier bleiben. Wir würden sie nach Strich und Faden verwöhnen. Wir würden ihr die wenigen Tage, vielleicht Wochen, so angenehm wie möglich gestalten. Und wir glaubten plötzlich zu wissen, warum sie (an Ormitas Stelle) die Reise nach Deutschland angetreten hatte. Sie wollte wenigstens einmal in ihrem Leben in einem richtigen „Zuhause“ wohnen.
Mittlerweile war es kalt geworden. Da Linda mehr spazieren schlenderte, als spazieren ging, fror sie unterwegs. So bekam sie ein Mäntelchen. Sah ein bißchen nach Astronautenanzug aus. Aber Linda war begeistert. So konnte sie weiterhin spazieren schlendern und mußte nicht mehr frieren. Weihnachten verbrachten wir zusammen mit Linda bei meinem Vater. Linda war begeistert. Es gab Weihnachtsgans. Und Linda bekam ein bißchen was davon ab. Was ein Fehler war. Denn anschließend weigerte sie sich, normales Hundefutter zu fressen. Mit viel Überreden schafften wir es dann doch, dafür zu sorgen, daß Linda nicht verhungerte. Und dann war Weihnachten um. Und wir rechneten jeden Tag damit, daß es der letzte Tag in Lindas leben sein könnte. Aber Linda dachte überhaupt nicht daran, über die Regenbogenbrücke zu gehen.
Im Gegenteil. Sie erzog sich ihr Personal und genoß das Leben. Und wehe, sie bekam nicht pünktlich um 15.30 Uhr ihren Snack. Dann wurde sie richtig unleidlich. Wecken war morgens um 7.30 Uhr. Linda ging in den Garten, erledigte ihre Geschäfte und erwartete ihr Frühstück. Wehe, es war nicht fertig. Böse Blicke. Vorwurfsvoll. Mieser Service hier. Aber dann gab’s doch Frühstück und anschließend zog Linda sich zu einem Verdauungsschläfchen in ihr Körbchen zurück. Mittlerweile war es Ostern geworden. Der Tumor hatte sich nicht mehr weiter entwickelt. Linda ging zwar nicht mehr spazieren. Aber dafür tingelte sie stundenlang im Garten hin und her. Manchmal stand sie am Tor und beobachtete einfach das Treiben auf der Straße. Die meiste Zeit aber verbrachte Linda im Busch. Linda, das Buschfräulein. Wir konnten gar nicht glauben, daß Linda noch immer so quietschvergnügt war.
Zwischendurch hatten wir einen Welpen zu Gast, mit dem Linda sich mehr als angefreundet hatte. Ausgelassen hüpften die beiden im Garten herum. Linda zeigte Bubu, wie man Stöckchen spielt und Löcher buddelt. Auch die Tierärztin kam immer mal wieder vorbei, um nach Lindas Befinden zu sehen. Alles bestens lautete immer wieder die Diagnose.Und jetzt ist es Juli. Linda lebt immer noch bei uns. Wir wissen, daß irgendwann der Tag kommen wird, an dem sie den Weg über die Regenbogenbrücke antreten muß. Aber so fit wie sie ist, gehen wir davon aus, daß sie uns noch lange Zeit morgens um 7.30 Uhr aus den Federn bellen wird. Und auch, wenn wir diesen frühen Wecker Sonntags ein kleinwenig verfluchen, so sind wir doch mehr als froh, daß wir unsere Linda haben. Und wir freuen uns auf Weihnachten, wenn sie wieder bei meinem Vater in die Küche geschlendert kommt – ganz unauffällig – um sich ein Stückchen Weihnachtsgans zu stibitzen.