Rufus Geschichte


Sommer 2004


Die erste Bekanntschaft mit Rufus haben wir während unseres Aufenthaltes auf Lanzarote im März gemacht. Der gut 65 cm große, schokobraune Podenco- Rüde war ein echter „Hingucker“.
Schon alleine durch sein Temperament konnte man ihn überhaupt nicht übersehen. Wie ein Flummi sprang er zwischen den Wänden des Zwingers hin und her. Nicht mal zum Fotografieren hatte Rufus Zeit.
Hatte man ihn an der Leine, brauchte man Spikes unter den Schuhen, um von ihm nicht quer durch die Vulkanasche und die Lavafelder gezogen zu werden.
Rufus, der eineinhalb Jahre junge Hund, war voller Energie und Lebensfreude. Alles war interessant. In jedes Loch musste er seine lange Podenco- Nase stecken. Und seine gewaltigen Ohren hörten jedes noch so leise Geräusch, dem nachgegangen werden musste.
Für meinen Mann und mich war klar – bei aller Hundeliebe – Rufus würde nicht zu uns in die Pflegestelle kommen. Diesem Energiebündel waren wir einfach nicht gewachsen.
Wieder zurück in Deutschland begannen wir unsere Pflegestelle wieder „aufzufüllen“. Aus allen möglichen Richtungen trudelten Hunde bei uns ein. Und es war klar, daß auch ein Podenco aus Lanzarote kommen sollte. Wir hatten uns für eine gemütliche, etwas ältere Hündin entschieden.
Zwei Tage vor dem Flug kam ein Anruf aus dem Tierheim. Rufus hatte sich hinten links die Pfote verletzt. Die Behandlungsmöglichkeiten auf der Insel sind nur sehr begrenzt und bei weitem nicht optimal. Uns war klar, die Pfote würde sich vermutlich böse entzünden. Es war fraglich, ob sie unter den dortigen Bedingungen überhaupt heilen würde.
Wir schluckten.
Wir schluckten noch mal.
Und dann sagten wir ja. Irgendwie würden wir mit Rufus schon klar kommen.
Und so landete Rufus zwei Tage später in Köln. Der Hund war noch viel größer, als wir ihn in Erinnerung hatten.
Du liebe Zeit.
Uns blieb nichts anderes übrig, als auf Seite zu gehen, wenn er durch unser Haus raste. Wir haben einen großen, schweren Eichenschrank im Wohnzimmer stehen. Die Schlüssel sind wirklich massiv. Rufus hatte keine Probleme, beim Toben dagegen zu donnern und die Schlüssel zu verbiegen. Wir mußten mit dem dicken Hammer zweimal zuschlagen, bis der Schlüssel wieder gerade war.
Auch unser Sofa hielt Rufus Ansturm nicht stand. Ein Sprung mit viel Schwung und schon waren die ineinander gesteckten Elemente quer durchs Wohnzimmer verteilt.
Rufus war einfach nicht zu bremsen.
Daß sich seine Pfote schlimm entzündet hatte, interessierte Rufus überhaupt nicht. Artig ging er jeden zweiten Tag mit mir zum Arzt und lies sich den Verband wechseln.
Bevor wir spazieren gingen, wurde jedes Mal ein Gefrierbeutel und ein „Hundeschuh“ über den Verband gestülpt, damit dieser nicht feucht wird. Die Tierärztin meinte bei unserem ersten Besuch, daß diese Schuhe eigentlich recht stabil sind und eine ganze Weile halten sollten.
Bei unserem zweiten Besuch (einen Tag später) war der erste Schuh an allen nur erdenklichen Stellen geflickt und geklebt.
Wir haben eine Menge Schuhe verschlissen.
Wobei man Rufus zugute halten muß, daß er eigentlich ein sehr braver Hund war. Er hat weder unser Sofa gefressen, noch die Fernbedienung durchgekaut noch sonstigen Blödsinn gemacht.
Einzig das Hundekissen, das im Flur liegt und eigentlich als Unterlage für die Hunde dient, war Rufus persönlicher Feind. Ständig flogen die Fetzen. Ständig mußte ich das Kissen nähen und kleben und mit neuen Kopfkissenbezügen wieder „Rufustauglich“ machen. Und immer wieder zog Rufus mit diesem Kissen durch das Haus. Da half kein Schimpfen und kein Drohen. Das Kissen wurde rum geräumt und hin und her geschleppt.
Zu unserem Kater wollte Rufus ein sehr freundschaftliches Verhältnis aufbauen. Am liebsten hätte er mit dem Kater gespielt. Der wiederum war nicht begeistert von dem Gedanken, mit diesem gewaltigen Podenco fangen spielen zu sollen. So hat Rufus mehr als einmal die Krallen des Katers auf der Nase gespürt. Es hat ihn jedoch nicht wirklich interessiert. Immer wieder hat Rufus den Kater freudig angebellt und schwanzwedelnd zum Spielen aufgefordert. Das war vielleicht ein Lärm.
Mit den anderen Hunden, die wir ebenfalls zur Pflege hier hatten, kam Rufus prima aus.
Jeder war sein Freund.
Mit allen wurde gespielt und getobt.
War einer müde, würde der nächste zum Spielen aufgefordert. Mit kleinen Hunden spielte Rufus sanft und vorsichtig. Mit großen Hunden ging es richtig zur Sache.
Hier war ständig was los.
Doch hin und wieder gönnte Rufus auch uns eine Verschnaufpause.
Dann legte er sich auf den Rücken, streckte alle Viere von sich, verdrehte die Augen und wollte den Bauch gerubbelt haben.
Selig ist der anschließend eingeschlafen – natürlich nicht ohne zu schnarchen.
Doch wie haben wir dieses Geräusch genossen.
Und auch die Zeit mit Rufus haben wir sehr genossen. Nicht, daß ein falscher Eindruck entsteht.
Rufus ist ein toller Hund.
Wir haben ihn sehr, sehr gern. Innerhalb von zwei Tagen konnte er Sitz.
An der Leine zu gehen war überhaupt kein Problem.
Und auch gehört hat er ziemlich schnell recht gut – dank einer Menge Leckerlie.
Nur war Rufus bei uns einfach nicht ausgelastet.
Dann meldeten sich Leute für Rufus. Sie hatten bereits eine Hündin von mir und ich wußte, daß ich Rufus guten Gewissens dort hin geben konnte.
Doch würden die Leute mit dem Hund, der sich vor nichts fürchtet und vor nichts zurück schreckt, fertig werden?
Die Hündin kam zwei Tage zum „Rufus kennen lernen“ zu mir. (Ergab sich prima, da sie ohnehin übers Wochenende kommen sollte, weil die Leute eine Familienfeier hatten.)
Perfekt.
Die beiden sahen und liebten einander.
Großartig.
Die Leute kamen und beguckten sich die beiden, die gerade lang ausgestreckt auf dem Sofa lagen und miteinander spielten. Sie waren begeistert.
So zog Rufus aus.
In der ersten Nacht versuchte er im Bett zu schlafen.
Der in der Familie vorhandene Kater darf das schließlich auch.
Rufus wollte das „Nein“ nicht akzeptieren.
Über Tag machte sich Rufus mit seiner neuen Freundin über das Kopfkissen her. Die Fetzen flogen. So war für die nächste Nacht mehr Platz im Bett.

Tag 2: Rufus und seine Freundin knackten die Dose mit dem Fischfutter, verteilten die Brösel gleichmäßig durchs Wohnzimmer und fraßen auch einen Teil davon. Dennoch hatten sie anschließend keine Lust, im Regen spazieren zu gehen. Fischfutter härtet also nicht unbedingt gegen zu viel Wassereinwirkung von außen ab.
Tag 3: Nachdem die Zerstörung des Kopfkissens nicht die erwünschte Wirkung gezeigt hatte – Rufus durfte immer noch nicht im Bett schlafen – wurde auch noch das „Plümmo“ in Fetzen gelegt.
Frauchen war begeistert. Denn das zerstörte „Plümmo“ war ein uraltes,das schon seit Jahren ausrangiert werden sollte. Aber Herrchen hatte immer gestreikt. Und so war Und so war Frauchen begeistert und Herrchen wütend. Aber nur kurz.

Tag 4: Rufus und seine Freundin lasen einige Bücher.
Mit den Ausführungen von einigen Autoren waren sie nicht einverstanden und so wurden die Bücher kurzerhand zerlegt.

Tag 5 und 6: Wochenende. Immer war jemand da, der die Hunde im Auge hielt. So konnte auch kein Blödsinn passieren.

Tag 7: Die Kinder des Hauses hatten schwarze Turnschuhe in Rufus Reichweite herum stehen lassen. Dieses Kauvergnügen ließ Rufus sich natürlich nicht entgehen. Und Herrchen war begeistert, wie artig und geduldig Rufus anschließend still hielt, und sich die schwarzen Fäden zwischen den Zähnen heraus pulen ließ.

Nachdem wir das alles hörten, waren wir doch erstaunt, wie artig und unauffällig Rufus sich bei uns verhalten hat.
Mittlerweile hat er gelernt, neben dem Rad her zu laufen. So ist Rufus wesentlich ausgelasteter und macht nicht mehr allzu viel Blödsinn. Bis er mehr Kondition hat. Rufus wird immer eine Herausforderung bleiben.

Aber die liebevollste Herausforderung, die wir je hatten.