Mathilde - fünf Federn und ein fescher Typ



Mathilde D. - and the story goes on...

In der zweiten Urlaubswoche entwickelt sich Mathilde von einem hilflosen „Federknäuel“ zu einem richtigen Vogel.
Unser improvisiertes Vogelbad, der Suppenteller, wird zu klein.
Also wird der Haushalt nach etwas Brauchbarem durchsucht.
Ach ja, meine einzige Auflaufform (praktisch eh nie benutzt) wird unverzüglich zweckentfremdet. Daraus trinkt Mathilde auch das erste Mal!
Sie wird immer neugieriger und erkundet ihre Umgebung.
Dabei hilft Mathilde auch im Haushalt mit und holt die Staubmäuse aus den hintersten Ecken.
Nach dem Füttern bekommt sie immer ihre „5 Minuten“, d. h. sie pest wie ein Irre durch den Raum, springt vor uns zurück und „kreischt“ dabei vor Wonne.
Und auch die Flugkünste werden kontinuierlich verbessert.
Das Ziel wird angepeilt und dann wird solange geübt, bis man es geschafft hat.
Dies ist besonders wichtig für die Flugmuskulatur.
Und nun fängt Mathilde langsam an, selbstständig zu essen uns zu trinken.
Ab dem Zeitpunkt hängen wir an alle Sitzplätze verschiedene Futter- und Wasserschalen auf.
Somit kann sie die selbstständige Futter- und Wassersuche schneller und leichter erlernen.
Um sie auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten, basteln wir mehrere „natürliche“ Futterstellen.
Wir stechen Gras aus, sammeln Steine und Erde. Die wird im Wohnzimmer verteilt. Darin verstecken wir Regenwürmer, Mehlwürmer, etwas Obst und das Trockenfutter.
Mathilde übt auch immer fleißig, verteilt dabei mehr Gras und Erde im Zimmer als Lady, wenn sie meine Blumen ausbuddelt.
Aber es scheint zu funktionieren.
Die letzte Urlaubswoche neigt sich dem Ende zu.
Da stellt sich das Problem: Was machen wir mit Mathilde, wenn wir arbeiten?
Der geliehene Käfig ist zu klein. Also wird spontan ein großer Käfig gekauft.


Er wird erst mal kritisch von Mathilde beäugt, anschließend jedoch einfach ignoriert.
Abends fliegt sie jedoch wie selbstverständlich hinein, schmeißt das Taschentuch und das Handtuch aus dem Nest und legt sich hinein.
Wir haben das Nest immer gepolstert, da es aus Draht war und ziemlich unbequem aussah.
Aber Mathilde mag es lieber hart.
Als ich am ersten Arbeitstag nach Hause komme werde ich von Mathilde zwitschernd begrüßt.
Sie will natürlich sofort raus.
Erst wird etwas gefüttert, dann lasse ich sie fliegen. Den Rhythmus behalten wir so bei.
Morgens, wenn ich aufstehe werde ich immer von Mathilde begrüßt.
Sie kommt schnatternd an, fliegt auf meinen Kopf und zupft sich meine Haare zurecht.
Dann döst sie erst mal auf meinem Kopf ein bisschen.
Böse Zungen behaupten, es läge an meinem Vogelnest, was ich (angeblich) direkt nach dem Aufstehen haben soll.
Mathilde wird immer mutiger, kein Zimmer ist mehr vor ihr sicher.
Am liebsten begleitet sie einen in jeden Raum und setzt sich dort auf den Türrahmen.
Nun fangen wir auch an, Mathilde mit den Umweltgeräuschen und der Umgebung vertraut zu machen.
Dafür kommt sie täglich in ihrem Käfig nach draußen.
Am Anfang ist sie sehr eingeschüchtert, aber schon am zweiten Tag fängt sie an, die Hecke auseinander zu nehmen.
Sie erschreckt nicht mehr, wenn Autos oder Mofas vorbei fahren und auch Geräusche wie Flugzeuge, bellende Hunde oder laute Rufe findet sie eher interessant.
Eines Tages beobachten wir einen Spatz, der direkt neben Mathildes Käfig in der Hecke sitzt.
Er zwitschert Mathilde freundlich zu, sie antwortet aber nicht. Komisch...
Uns so gehen die Tage weiter.
Mathilde „verwüstet“ fröhlich unser Wohnzimmer und versucht Lady zum „Spielen“ zu animieren.
Lady aber hat keine Lust und so widmet sich Mathilde ihrem neuesten Hobby: Zieheltern putzen!
Wenn sie an den Kleidern oder an den Haaren rumzupft, dann ist das ja witzig.
Aber sie pickt auch im Gesicht und am Hals rum.
Dabei zieht sich richtig kräftig an der Haut, man wird quasi zwangsweise geliftet.
Aber so ein Vogel muss ja auch beschäftigt werden.
Neuerdings hat sie eine neue Badewanne: Die Wassernäpfe von Lady.


Da geht sie so oft sie will drin baden, manchmal 3x täglich.
Was ist sie nur für eine saubere Amsel!
Anschließend legt sie sich immer in die Sonne, reißt den Schnabel auf, spreizt die Flügel und lässt sich von der Sonne trocknen!


Die Tage vergehen und der Moment der Auswilderung ist gekommen.
Morgens geben wir Mathilde noch mal eine schöne Portion Futter und Wasser damit sie sich nicht hungrig auf den Weg machen muss.
Dann kommt sie im Käfig nach draußen.
Nach fünf Minuten öffnen wir die Käfigtür.
Mathilde springt auf die Tür und schaut sich erst mal um.
Nach ein paar Minuten fliegt sie auf den Boden.
Alles wird erst mal untersucht, überall wird reingepickt.


Vor Freude kommen uns die Tränen.
Wie süß!!!
Plötzlich sieht Mathilde einen Heißluftballon am Himmel.
Wild schimpfend fliegt sie zurück ins Wohnzimmer.
Die nächsten Minuten wird erst mal ausgiebig geschimpft.
Mathilde macht keine Anstalten, jemals das Wohnzimmer zu verlassen...
Nach 30 Minuten gehe ich mal rein.
Mathilde kommt direkt angeflogen und erzählt mir, was sie alles erlebt hat.
Ich gehe wieder hinaus.
Mathilde entscheidet sich, mich zu begleiten.
Weiterhin wird die gesamte Terrasse untersucht und siehe da, plötzlich steht ein stattlicher Amselmann im Garten.
Da wird Mathilde aber neugierig. Was macht der denn da?
Sie geht näher ran und schaut gebannt dem pickenden Amselmann zu.
Und dann springt sie behutsam die 3 Stufen in den Garten runter.


Gras unter den Füssen, nasses Gras.
Mathilde fängt sofort an, alles mit Hilfe ihres Schnabels zu untersuchen.
Sie pickt und pickt und pickt, und entfernt sich dabei immer weiter von der Terrasse.


Das geht eine halbe Stunde so und plötzlich fliegt sie los.
Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, als Mathilde davon fliegt.
Mathilde, die anfangs nur 5 Federn am Körper hatte... Uns kommen natürlich die Tränen, wir werden unser kleines Vögelchen vermissen.
Aber es sind auch Tränen der Rührung und des Stolzes...
Nachmittags sehe ich Mathilde mit dem feschen Amselmann im Garten vom Nachbarn.
Sie macht ihm alles nach, fliegt ihm sogar hinterher.
Mathilde hat Anschluss gefunden!
Super!
Da kann sie sich alles, was wir ihr nicht beibringen konnten, abgucken.
Und wer weiß, vielleicht schaut Mathilde nächstes Jahr mit ihren Kindern und ihrem Mann mal vorbei...