Ich heiße Amie



Menschen sind etwas schwer von Begriff. Sie haben Schwierigkeiten mit den verschiedenenen Sprachen. Und mit den Augen! Und überhaupt wird das schlimmer, je älter sie werden. Das habe ich hier in Duisburg im letzten halben Jahr, seit ich in Deutschland bin, gelernt. Jawohl.
Bei uns Hunden ist das ganz anders: In der Slowakei hieß Schwanzwedeln „Hallo, ich mag dich!“, und in Deutschland heißt es das Gleiche. Habe ich mich in Bratislava auf meine Vorderbeine niedergelassen und meinen Popo in die Luft gestreckt, hieß das „Komm, spiel mit mir!“ und in Deutschland versteht das jeder Hund genau so. Egal ob alt oder jung.
Aber die Menschen, die sind nicht international, ne, die können nur ihre Sprache. Vor allen Dingen die Älteren. Das sagte ich ja schon.
Da hat meine Mensch mich im Oktober den Senioren in der „Begegnungsstätte für ältere Menschen“ mit „Amie“ vorgestellt. Zuerst hat das auch alles toll geklappt. Jedes mal, wenn mich die Menschen mit meinem Namen gerufen habe, habe ich sie belohnt, bin hingelaufen und habe das Leckerchen genommen. Ich habe sie so super erzogen.


Ein paar Wochen später traue ich meinen Ohren nicht! All meine Erziehungsversuche waren zunichte: „Emil, komm mal her!“ mußte ich da hören.
„Na ja“, vielleicht ein Ausrutscher oder Irrtum“, habe ich gedacht. Ich bin ja gutmütig und trotzdem hingelaufen. Aber gestaunt habe ich doch.


Im Januar dann der Höhepunkt. Die neuen Mitarbeiter riefen auf einmal „Emily“. Ne, das war jetzt zuviel.
„Mein Mensch, mach was!“, habe ich gebettelt. „Ich heiße Amie!“


Da kam mein Mensch auf eine ganz furchtbare Idee. Hätte ich doch bloß die Schnauze gehalten. Und nicht so geschaut. Er hat sich nämlich überlegt, dass die älteren Menschen ja auch mit den Augen nicht mehr so gut zurecht sind und ich im Oktober ja beim Friseur gewesen bin und ganz kurzes Fell hatte.
Mein Mensch hat gedacht, vielleicht erkennen die Senior-Menschen mich in meinem Winterpelz gar nicht mehr und denken tatsächlich, ich bin ein „Emil“.


Also hat er mich zum Hundefriseur gebracht und meine Rückverwandlung in „Amie“ gestartet.


Meine schönen Locken! Einfach weg!
Aber für das nächste Leckerchen von den Senis riskiere ich doch mal einen Blick. Das schmeckt auf jeden Fall. Egal, ob ich es als „Amie“, „Emil“ oder „Emily“ bekomme.
Bis zum Hundetreffen. Eure Amie