Freud und Leid einer Pflegestelle



Als erstes musste ich mir die Frage stellen, was eine Pflegestelle eigentlich ist.

Das sind die Menschen, die einem Hund für eine begrenzte Zeit ein Zuhause geben, die sich ganz genauso vorbereiten und auf ihn freuen, als wäre es der eigene Hund, die den Hund pflegen, ihn versorgen und auf sein neues Leben vorbereiten, denen trotzdem von Anfang an bewusst ist, das diese Beziehung nur für eine begrenzte Zeit Gegenstand ihres Lebens sein wird.
Wahrscheinlich sollte das so sein.
Ob ich dazu fähig bin, das weiss ich nicht. Aber ich werd es auch niemals wissen, wenn ich es nicht probiere.

So kam es, das ich im Oktober 2010 bei Steffi einen freien Pflegeplatz anbot.
Natürlich war ich mir bewusst, das daraus nichts werden würde, weil KG eben nicht mit Pflegestellen arbeitet.
Trotzallem war mein Angebot natürlich mehr als ernst gemeint.
Steffi setzte sich sofort mit mir in Verbindung und lehnte mein Angebot aus mehreren Gründen ab.
Unter anderem aus dem Grund, das der von mir ausgesuchte Hund nicht in mein Rudel passt.
Das hatte ich so nicht erwartet.
Ich weiss natürlich aus eigener Erfahrung, das bei einer KG Vermittlung sehr darauf geachtet wird, das der ausgesuchte Hund ins Rudel passt, aber bei einem Pflegehund ? Das hatte ich so bisher nirgends erlebt....
Aber ich konnte dies akzeptieren und fand das auch gut !
Steffi schaut nicht nur bei einer Vermittlung darauf, sondern auch bei einem Pflegehund.
Trotz der Absage, die mich natürlich auch etwas traurig machte, stehe ich seitdem noch fester hinter KG.
Ich finde es einfach Klasse, das hier wirklich für genau den Hund das passende Körbchen gesucht wird, auch wenn es eventuell nur um ein Pflegekörbchen geht !

Ein paar Tage später kam dann ein Anruf. Unser Pflegestellenangebot wurde hinterfragt, ganz genauso, als ob wir uns für einen Körbchensucher auf Lebenszeit beworben hätten. Steffi wollte unser komplettes Rudel kennenlernen und wir mussten alle erneut durchs Ackermannsche Verhör, obwohl das letzte doch erst vor 2 Jahren statt fand. Doch unsere kleine Hündin war hinzugekommen, wir alle haben uns verändert, haben uns weiterentwickelt.
Ich kann gar nicht beschreiben, wie aufgeregt ich war. Würde der von Steffi ausgesuchte Pflegehund nach dem Verhör immer noch zu uns passen ?

Als wir den Pflegestellenvertrag in Händen hielten, ging die Aufregung aber weiter.
Jeder von Euch kennt das...
Ein Hund, ein neuer Hund, er kommt !!!
GsD mussten wir nur kurze Zeit bis zur Ankunft unseres Pflegehundes warten.
Wie würde alles laufen ? Die Frage ob Steffis Bauchgefühl stimmt, stellten wir uns gar nicht.
Davon konnten wir uns vor 2 Jahren selbst überzeugen und die vielen positiven Erfahrungsberichte anderer Körbchengeber sprechen für sich.
Aber es gibt soviel drum herum, was mich ganz kirre machte.
In allererster Linie die Frage, ob ich genügend "Abstand" zwischen meinem zukünftigen Pflegehund und meinem Herzen schaffen könnte.
Noch bevor er einzog, war ich schon verliebt...

Dann kam endlich der Tag, ... der Tag an dem unser neuer Pflegehund Einzug hielt.
Einzug in unser Haus, in unser Rudel, in unsere Herzen.
Die ersten Tage waren natürlich für alle aufregend.
Es war so spannend zu sehen, wie der kleine Mann auftaute.
Es war wundervoll zu sehen, wie sich "unser" kleines Rudel umstellte und vergrösserte.
Es passte einfach !
Nach kurzer Zeit war alles wie vorher, nur war unser Rudel um 4 Beine grösser geworden.
Der Pflegehund hatte sich still und leise eingefügt.

Morgens beim kuscheln...
lag er entspannt neben mir, umringt von meinen anderen Hunden.

Während der Raubtierfütterung...
wartete er geduldig inmitten des Rudels.

Bei den Spaziergängen...
lief er ausgeglichen inmitten des Rudels.
Er entdeckte seine neue Welt mit uns.

Abends beim Fernsehen, beim kuscheln...
lag er seelig und müde auf meinem Bauch, umringt von meinen anderen Hunden.
Ein festes Mitglied dieses Rudels.
Für uns schwer vorstellbar auch nur ein klitzekleines Teilchen dieses wunderbaren Rudels wieder gehen zu lassen.

Trotzdem stellte man sich immer und immer wieder die Frage, wie es wohl sein würde...
ohne ihn ?
Wie würde es für ihn sein...
ohne uns ?
Schwer vorstellbar...
für uns alle !

Man nimmt sich vor ein klein wenig mehr Abstand zu schaffen.
Nur nicht Heute... nur nicht in dieser Situation.
Jetzt genießt man einfach !
Morgen... morgen ändert man das.
Und Morgen steht man noch genau da, wo man gestern stand.
Durch die Entwicklung des Rudels steht man sogar noch einen Schritt weiter... vor der Erkenntnis:
dieser Pflegehund ist genauso ein Mitglied des Rudels wie die anderen.
Das zeigt unser Herz, das zeigt jeder einzelne Hund.
Der Pflegehund zeigt tagtäglich, das es hier ok ist, das er sich wohl fühlt, das er uns liebt, das er hier sein Zuhause gefunden hat.

Es kommen zwischenzeitlich einige Anfragen, sicher von ganz tollen Menschen - aber eben leider nicht passend für unseren Pflegehund.
Einerseits ist man traurig, andrerseits ist man froh.
Irgendwann ruft Steffi an...
es ist dieser Anruf - der irgendwie alles verändert.
Es gibt tolle Interessenten, die zu unserem Gast passen könnten.
Natürlich werden diese Leute, ebenso wie jeder von uns, das Ackermannsche Verhör überstehen müssen.
Erst dann werden sie die Möglichkeit haben, unseren Pflegehund kennenzulernen.

Bei mir kam Panik auf, weil ich mir keinesfalls vorstellen konnte, das mein Pflegehund freiwillig mit irgendwem mitgehen würde.
ER ist hier zuhause. ER fühlt sich hier wohl. ER lebt hier und ER versteht doch gar nicht, das er "nur" ein Pflegehund ist.
Wie sollte ich mich dann verhalten ? Ihn rausschieben ? Ihn raustragen, ins Auto setzen und schnell die Türe verriegeln ?
Im ersten Moment wusste ich nicht, ob es "damals" richtig war, eine Pflegestelle anzubieten... richtig für ihn und richtig für uns...
Dann wurde mir aber bewusst, was eine Vermittlung bei KG ausmacht.
Sollte es so sein, das die Leute hierher kommen, dann sind das genau die richtigen Menschen für meinen Pflegehund.
Ich war mir plötzlich sicher, das er zwar nur widerwillig mitgehen würde, aber das er sich dort wohl fühlen würde und uns irgendwann vergessen wird...

Die letzten Tagen lebten wir noch bewusster miteinander, so nach dem Motto: Jetzt erst Recht !
Schwer wird es sowieso für uns alle !
Dann möchte ich wenigstens die Tage bewusst leben, die uns bleiben... gemeinsam !
Und genauso taten wir das auch, bewusst leben, jede Sekunde miteinander genießen.

Die letzte Nacht...
fürchterlich !
Ständig ging mein Blick in das Körbchen neben meinem Bett.
So friedlich schlummernd, nichts ahnend lag er da und träumte den Schlaf der Gerechten.
Gerecht.
Ist es gerecht ihn hier mit Macht rauszureissen ?
Ist es gerecht ihn aus meinem Herzen zu reissen ?
Mir tat es weh, obwohl noch gar nichts feststand.
Einfach Panik...

Der letzte Morgen...
Heut wird es soweit sein.
Wenn alles "gut" läuft und es die tollen Menschen sind, wie wir alle vermuten, werd ich den kleinen Knopf loslassen müssen.
Vielleicht mit einem kleinen schubbs aber ganz sicher mit vielen Tränen.

Die letzten Stunden...
kuscheln...
ich hab Dich so lieb !

Es klingelte !

Mein Mann öffnete die Tür. Ich blieb wie erstarrt in der Nähe meines Pflegehundes stehen.
Ich werde einfach nur beobachten, jedes kleine Details spüren.
Die Türe ging auf und ...
die neue Familie meines Pflegehundes trat herein.
Genau das ahnte ich in diesem Moment.
Vorsichtig, aber völlig anders als Besuche von Freunden abliefen, lief er hin und sagte "Hi"
Als nächstes sagte er so etwas wie : "wird ja Zeit das Ihr kommt. Lasst uns mal hinsetzen"

Ich war verwirrt, aber auch begeistert.
Unser Gespräch verlief gut und so stand dann auch schnell fest, das wir unser Pflegenäslein gehen lassen werden.
Natürlich war ich mir bewusst, das er trotzdem nicht einfach so mitlaufen würde. Aber ich war sicher, eigentlich mehr als sicher, das er seine Menschen gefunden hatte und das es ihm dort sehr sehr gut gehen wird.

Dann stand sein neues Frauchen auf und nahm die Leine in die Hand. Sie bückte sich und es klickte.
Mein Herz stand still, mein Atem stockte.
Was macht mein Pflegehund ?
Er schaut sie an und stiefelt los... Kopf hoch, Rute hoch ... los gehts ins Neue Leben !
So ging er hier zur Tür raus.
Kein Blick zu mir.
Statt dessen drängelte er am Gartentor, das ihm endlich aufgemacht wird.
Statt dessen lief er schnurstracks die Auffahrt runter, zielstrebig auf das richtige Auto zu.
Das neue Frauchen hob ihn ins Auto, er rutschte durch und machte ihr Platz.
Kein Blick zurück.
Fast so, als wusste er ganz genau, das er hier bei uns nur eine Zwischenstation macht, bevor er von seinen Menschen abgeholt und in sein eigenes Körbchen mitgenommen wird. Ja, Genauso !

Und dann steht man da und fragt sich, was man falsch gemacht hat.
Man fragt sich, ob man wirklich so ein schlechter Mensch ist, das ein Pflegehund nicht schnell genug ins neue Leben starten kann, das er nicht einen Blick zurück wirft sondern nur nach vorn schaut.
Aber tut das wirklich weh ?
Vielleicht im ersten Moment.
Aber spätestens wenn sich die neue Familie meldet und glücklich von den ersten gemeinsamen Stunden berichtet, dann weiss man, das alles richtig war. Und vielleicht können wir noch ganz viel von diesen tollen Wesen lernen.
Zurück schauen bringt uns nichts.
Nach vorn schauen bringt uns weiter !

Danke, das wir Pflegestelle für diesen wunderbaren kleinen Schatz sein durften !
Wir wünschen ihm und seinen neuen Menschen viel Glück im neuen Leben !