Amie – eine ganz andere Urlaubsgeschichte

Hallo, liebe KGler,
ich war dieses Jahr wieder mit meinen Kumpels Freno und Fee und meinem Menschen in Italien im Urlaub, genauer im Nationalpark Monti Sibillini in den Marken. Da war ich ja vor drei Jahren schon einmal. Ein Naturparadies für Mensch und Tier. Dieses Jahr kam aber alles so ganz anders, als wir uns das gedacht hatten. Deshalb möchte ich meiner Geschichte gerne mit einem Zitat von Henrik Ibsen eine zweite Überschrift geben:

„Wo Leben ist, da darf auch Hoffnung sein.“

Ungewöhnlich, diese Worte, für eine Urlaubsbericht, nicht wahr? Doch ich habe meine ganz persönlichen Gründe dafür. Ich glaube, ich erzähle mal der Reihe nach:

Mittwoch, 6. August 2014
Wir waren im Nationalpark spazieren, sind über die Wiesen getobt, haben Blumen gerochen und die herrliche Aussicht genossen.





Ich bin ein bißchen durch die Büsche gestromert und 5 Minuten nach dem Foto oben stark lahmend mit dem rechten Hinterbein dort wieder hinaus gekommen. Mein Mensch hat sofort geschaut, ob ich mir etwas eingetreten habe. Er konnte aber nichts finden. Dann hat er gemerkt, dass ich stark zittere und einfach nicht mehr konnte. Ich hatte keine Kraft mehr und bin zusammengebrochen. Freno war die ganze Zeit bei mir und hat auf mich aufgepaßt.



Meinen Menschen schwante jetzt, dass hier etwas ganz und gar nicht mehr in Ordnung war. Dank eines 1. Hilfe Kurses vor längerer Zeit erkannte er recht schnell, dass ich in einen Schockzustand verfallen war, die Situation also lebensbedrohlich wurde.
Und recht schnell kam bei ihm die Vermutung auf: eventuell ist Amie auf eine Schlange gestoßen. Mein Beinchen schwoll mittlerweile mächtig an.
Jetzt war guter Rat teuer. Wir waren ja mitten in den unerschlossenen Bergen. Hier gibt es nur markierte Fußtrampelpfade. Und wir waren alleine. Also hat mein Mensch mich über eine Stunde zum Auto getragen. Fast genauso lange haben wir dann noch einmal mit dem Auto aus den Bergen heraus hinunter nach Sarnano gebraucht, wovon mein Mensch sich erinnerte, dass es hier eine englischsprachige Tierarztpraxis gibt.



Gott sei Dank hatte die offen.



Die Tierärztin, Frau Dr. Annavini, war wie ihre beiden Kollegen zwar gerade noch in einer Behandlung, aber durch die offene Tür (ist in Italien alles unkomplizierter und offener als bei uns) sah sie mich aus den Augenwinkeln und kam sofort zu mir.
Oh, emergency, sagte sie und winkte meinen Menschen sofort mit mir durch. Sie fragte kurz nach, was passiert ist und untersuchte mein Beinchen sofort. Die Sache war klar: als die typischen Wunden entdeckt waren, sagte sie unmißverständlich: Vipernbiß
Ohne groß zu reden, dafür war absolut keine Zeit mehr, wurde ich sofort an Infusionen gehängt. Mitbekommen habe ich von alldem nichts mehr.



Erst dann konnte sie meinem Menschen die ganze Härte der Situation klarmachen:
Ich sei sehr klein, von daher seien die Aussichten mehr als schlecht, dass ich das schaffe. Als es dann um die Details des weiteren Vorgehens mit recht vielen Fachbegriffen ging, mußte mein Mensch mit seinen Englischkenntnissen kapitulieren. Aber auch hier gab es ganz unkompliziert Hilfe: kurzerhand wurde eine deutsch-englisch-italienisch sprechende Setterbesitzerin herbeigeholt. Jetzt konnten fachliche Details verständlich vermittelt werden.



Die Schnellauswertung des 1. Bluttests hatte katastrophale Werte ergeben. Enorme Mengen der roten Blutkörperchen waren bereits abgestorben. Die Situation war lebensbedrohlich.
Also: Infusionen, Infusionen, Infusionen zum Ausschwemmen des Giftes, auch nicht unproblematisch, da mein Kreislauf sehr damit belastet wurde, und unterstützende Medikamente. So was geht natürlich nicht im Ferienhaus, also mußte ich beim Tierarzt bleiben. Dr. Annavini besprach sich noch kurz mit den Kollegen und teilte meinem Menschen mit, wenn sie es in der Nacht nicht schaffen, meine Blutwerte zu verbessern, müsse ich eine Bluttransfusion bekommen. Der Setter unserer Dolmetscherin würde als Spenderhund bereitstehen.

Donnerstag, 7. August 2014
Natürlich hat mein Mensch mich sofort am nächsten Morgen besucht. Die Nachrichten waren jedoch niederschmetternd. Die Blutwerte waren zwar geringfügig besser geworden, jedoch war ich mittlerweile ins Koma gefallen. Nichts, gar nichts mehr bekam ich mit.





Mein Mensch besuchte mich auch mittags. Mein Zustand war unverändert.

Freitag, 8. August 2014

Wieder nichts Neues. Man lagerte mich von einer Seite auf die andere, auch mal auf den Bauch, um Druckstellen zu vermeiden.



Mittlerweile waren unzählige Liter Flüssigkeiten durch mich hindurchgelaufen und Medikamente gespritzt, die Blutwerte wurden stetig besser, aber ich wurde nicht wach, nach wie vor lag ich im Koma.

Natürlich sprach mein Mensch offen mit Dr. Annavini und Dr. Micozzi über meine Chancen. Ich sei nach wie vor in einer lebensbedrohlichen Krisis. Die Gesichter der beiden waren nicht sehr optimistisch, aber sie hatten auch bemerkt, wie sehr ich kämpfte. Die Chance wollten sie nicht ungenutzt lassen.
Meinem Menschen fiel in dieser Situation eine Vertonung zu Psalm 42,5 ein.
„Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott! denn ich werde ihm noch danken, daß er mir hilft mit seinem Angesicht.“
Die Melodie und die Worte haben ihn in den folgenden Tage begleitet und getröstet und so irgendwie auch geholfen.
Endlich, endlich, nachmittags zeigten sich meine Augenreflexe wieder und gegen Abend verfolgte ich mit meinen Augen meinen Menschen.



Ganz, ganz vorsichtig keimte Hoffnung bei allen auf. Liebevoll wurde ich auch vom dritten Nachwuchsarzt im Bunde versorgt.



Morgen wollten wir eigentlich nach Hause fahren, aber ich war in meinem Zustand natürlich nicht transportfähig. Also mußte mein Mensch alle Hebel in Bewegung setzen, für weitere Tage mit Freno und Fee eine neue Bleibe zu finden, den Urlaub zu verlängern und so vieles mehr. Aber all das hat Dank der Hilfe so vieler Menschen geklappt. Diese Sorge waren wir also los.

Samstag, 9. August 2014
Ich bin aus einer Welt, in die ich noch nicht hingehöre, wieder zurückgekehrt! Nicht nur mein Mensch, auch die Tierärzte selbst sprachen von einem Wunder. Ich bin der einzige Fall eines so kleinen Hundes, der einen derartigen Schlangenbiß in ihrem Einzugsbereich bisher überlebt hatte.



Und meine Lebensgeister kehrten rasant wieder. Nachmittags begann ich zu fressen. Hier gibt mir Dr. Micozzi ein spezielles Diätfutter. Deutlich wurde aber auch: ich hatte absolut keine Gewalt über meine Beine.



Auch das verursachte Stirnrunzeln bei den Dottores, da es noch nicht absehbar war, ob bleibende neurologische Störungen die Ursache waren. Ich wurde aber an diesem Tag nicht mit den dafür nötigen Untersuchungen belastet.

Sonntag, 10. August 2014
Extra wegen mir ist Dr. Micozzi Samstags und Sonntags 2x täglich für eine Stunde zur Versorgung gekommen. Und weil meine Lebensgeister zurückkehrten, kam ich jeweils für eine halbe Stunde von den Infusionen los und durfte mit meinem Menschen in den Garten. Füttern und Behandlung wurden unter großem Interesse der Öffentlichkeit einfach dort vorgenommen.





Nachmittags war das Wunder dann perfekt: ich laufe. 2, 3 Schritte, dann war die Kraft weg, aber jetzt war klar: Alles wird wieder gut und ich würde innerhalb der nächsten Stunden transportfähig sein.



Montag 11. August 2014
Nachmittags durfte mein Mensch mich abholen. Freno hat mich ganz vorsichtig beschnuppert und sich dann so doll gefreut.



Noch schwach, aber glücklich im neuen Ferienhaus.



Auch die Bißwunden der doofen Viper verheilen allmählich:





Und in der Nacht von Montag auf Dienstag ging es dann heim. Gleich Mittwoch waren wir bei meiner Tierärztin. Sie und die Dr. Annavini kooperieren meinetwegen gerne miteineinander. Dr. Annavini hat noch wertvolle Tips für meine weitere Behandlung per mail und Telefonat weitergegeben.



Wir wissen jetzt: Dank des unermüdlichen Einsatzes der Praxis von Dr. Annavini und Dr. Micozzi in Sarnano, des richtigen Verhaltens meines Menschen zum Zeitpunkt des Bisses (dafür ist er von den italienischen Dottores sehr gelobt worden: nicht abbinden, da das zum Absterben des durch den Biß stark anschwellenden Beines führen kann; nicht Aussaugen, Wunde nicht zum Bluten bringen etc, Hund nicht mehr belasten, auch wenn er laufen kann oder will, Hund beruhigen, tragen und so schnell als möglich zum Tierarzt bringen, alles vermeiden, was den Kreislauf zusätzlich belastet) und ganz bestimmt auch der schützenden Hand unseres Gottes werde ich es schaffen. Bis ich wieder ganz die Alte bin, dauert das noch eine Weile. Aber so habe ich Zeit, Euch diesen Hoffnungsbericht zu schreiben.

Kämpft und gebt nicht auf, denn
„Wo Leben ist, da darf auch Hoffnung sein.“

Eure Amie (aus Komarno)