Woody - Zwischenbilanz
Liebe Tante Steffi,
nachdem meine gelungene Flucht aus dem Knast in Santiago nun schon gute 8 Monate her ist, wird es höchste Zeit für eine Zwischenbilanz, wie mir denn meine Körbchengeber so gefallen.
Also, ich kann ja nicht meckern. Meine Zweibeiner sind einigermaßen gut erziehbar, wenn ich auch viel Geduld mit ihnen haben muss. So hat es zum Beispiel Wochen gedauert, bis sie endlich kapiert haben, dass ich lieber ein Leckerchen haben möchte, als andere Hunde zu verbellen. Anfangs wurde ich angebellt von meinen Zweibeinern, wenn ich andere Vierbeiner angemeckert habe. Irgendwann kamen meine Rudelmitglieder dann auf den Trichter, dass es auch einfacher geht, indem man mir einfach einen Snack reicht. Geht doch!!!
Inzwischen mache ich mir das zu Nutzen, wenn ich grade Appetit habe und schaue mich genau um, ob ich nicht irgendwo in weiter Ferne einen anderen Hund sehe. Dann mache ich Herrchen oder Frauchen darauf aufmerksam, setze mich vor sie hin oder stelle ich quer in den Weg und erwarte grinsend mein Lecker. „Hab ich das nicht fein gemacht?!“, strahle ich sie dann an.
Treppe laufe ich so wie es mir grade passt. Wenn ich keine Lust habe, ächze und stöhne ich die Treppe mühsam Stufe für Stufe hinauf wie ein alter Mann. Wenn ich aber unten höre, dass Frauchen die Türe zum Schlafzimmer auf macht (oh ja, ich kann diese Türe mittlerweile perfekt aus den anderen Türen heraus hören - grins), dann stürme ich wie ein junger Gott die Stufen hinauf, immer zwei auf einmal. Aber wie gesagt, nur wenn ich Lust habe.
Mit Frauchen habe ich bisher tatsächlich einmal gekuschelt, als Herrchen grade nicht zur Hand war. Nichts gegen Frauchens Streicheleinheiten, die sind auch ganz okay, aber der große Schoß von Herrchen ist einfach mit nichts zu überbieten. Wenn Herrchen nach der Arbeit nach Hause kommt, kann ich es kaum erwarten, dass er sich setzt. Meist springe ich ihm schon in die Arme, wenn er noch steht, so dass wir beide in den Sessel plumpsen. Frauchen lacht sich dann immer kringelig.
Und da sind wir wieder bei der Sache mit dem Lernen. Wenn ich grade doch gestreichelt werden möchte, dann ist es ein absolutes no go, wenn Herrchen oder Frauchen was anderes dabei machen wollen (lesen, Kaffee trinken oder so). Da muss ich doch tatsächlich energisch werden! Mit meiner sehr geschickten Nase schlage ich dann das Heft zu oder stubse unter den Arm, der grade zum Becher greifen will… und schon ist Ruhe! Ha! Geht doch!!!
Frauchen kriegt dann immer einen Lachanfall. Überhaupt kriege ich sie immer schnell zum Lachen. Sie sagt immer, sie hat noch nie einen Hund erlebt, der so kitzeln kann wie ich und sie hätten mich besser Nasenbär genannt, pfffffffff. Geht ja gar nicht!! Nur weil ich mit meinem Schnäuzchen so schnell zupicken kann wie ein Specht, dass Frauchen sich vor lauter Lachen gar nicht mehr zu lassen weiß. Herrchen sagt dann immer zu mir Woody Woodpecker, ja, jaaaaaa… Pöse die beiden, Tante Steffi.
Fotos lasse ich immer noch nicht gern von mir machen, zumindest wenn Frauchen die Digitalkamera zückt. Wenn Herrchen mit seinem analogen Knipsomat loslegt, nehme ich das sehr gelassen, aber das digitale Ding mag ich nicht. Ich weiß nicht genau warum. Ob ich Angst habe, dass dann wieder eine Veränderung kommt? Damals hast du im Tierheim auch Fotos von mir gemacht und es kam eine Veränderung. Vielleicht hat sich das auch irgendwie eingeprägt mit Tierheim und Digitalkamera? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, hier will ich nicht mehr weg! Denn auch wenn die Erziehung meiner Körbchengeber manchmal Geduld erfordert, läuft es hier im Großen und Ganzen doch sehr gut für mich.
Ich werde nicht genötigt irgendwelche Kunststücke zu lernen, obwohl ich den Futter-Verschwinde-Trick und den Kaustangen-zerschredder-Zauber bereits vorzüglich beherrsche. Und auch find-das-Leckerchen klappt ganz famos. Das spielen wir jeden Tag nach der Morgenrunde. Draußen tobe ich mich gern als Krähen- und Eichhörnchenschreck aus, hehe. Blöd nur, dass Frauchen nicht so schnell rennen kann wie ich, dadurch verpass ich immer meine anvisierte Beute, da die Leine ja irgendwann ein Ende hat - seufz.
Aber ist vielleicht auch ganz gut so, denn eigentlich gefällt mir die Jagd besser, wenn noch Bewegung im Ganzen ist. Rührt sich nix, bin ich auch nicht interessiert.
Aber wieder zu den Tricks: ich kann auch den ich-kitzel-dich-gnadenlos-durch-Trick oder auch das mega-entspannt-extrem-Liegen. Überhaupt bin ich recht entspannt. Mein erstes Silvester habe ich gut überstanden. Und so garstig ich zu anderen Hunden bin, so nett bin ich zu fast allen Zweibeinern. Ob ich deshalb von allen so geschmust und verwöhnt werde? Ruck Zuck habe ich mich zu everybodys darling gemausert. Ich glaube meine Körbchengeber sind ein kleines bisschen Stolz auf mich. Denn wie sie mir erzählt haben, waren meine Vorgänger zwar auch heiß geliebt, aber berüchtigte Fingernagel-Schneider… Ne, das ist überhaupt nix für mich. Die Zweibeiner sind gut zu mir, also lass ich sie in meiner Güte gewähren und mich sehr gern verwöhnen. Ich hab ja so viel Nachholbedarf!!! Wenn ich jemanden nicht mag (was sehr selten vorkommt), dann sag ich das auch kurz und knapp und Ruhe ist! Ein helles Wuff reicht schon, dann weiß jeder bescheid - lach.
Keinen Nachholbedarf habe ich an nasskaltem Wetter. Dann weigere ich mich auch schon mal, mein Frauchen oder Herrchen Gassi zu führen. Die könnten doch auch in den Garten… - hust. Der erste richtige Schnee hier erfüllt mich eher mit Skepsis. Anfangs habe ich gedacht es ist was zum fressen. Aber schmeckt nicht so wirklich und ist auch kalt.
ES IST KALT!!!! Schnell weg!
Meine Begeisterung hält sich entsprechend in Grenzen. Zum Glück gibt es einen warmen Kaminofen…
… und einen kuscheligen Sessel zum Aufwärmen (am liebsten mit Herrchen als Unterlage, wenn er da ist).
Und das Abrubbeln nach einem nasskalten Gassi genieße ich auch immer sehr.
Besonders spannend finde ich aber, wenn sich Frauchen und Herrchen näher kommen. Da muss ich ja unbedingt mitmischen. Umarmen ohne mich? Geht gar nicht!!! Dann stell ich mich auf die Hinterbeinchen, ja, selbst ich als schweres Modell kann das, wenn ich will, und umarme zumindest die Beine mit (höher komm ich leider nicht). Im Sessel kann ich meine Vorderbeine auch auf die Schultern legen, dann gibt es kein Entrinnen, hehe.
Silvesterkuss zwischen den beiden? Da mach ich doch mit!!! Schwupps, war meine Zunge quer über beide Münder, während sie sich einen Kuss gaben. Ich weiß gar nicht, warum sie dann so schnell auseinander gefahren sind und sich über den Mund gewischt haben. Ich fands gut - grins! Da sie gelacht haben, fanden sie es wohl auch gut. Prima, da misch ich beim nächsten Mal doch glatt wieder mit!!
Du siehst, liebe Tante Steffi, ich habe es hier nicht schlecht getroffen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle noch einmal Danke sagen, für deine Mühe, für deine Geduld, für dein Engagement. Denn ohne dich wäre die Flucht in das gelobte KG-Land für mich und für viele meiner Artgenossen aus dem Tierheimknast in Spanien nicht möglich geworden.
Einen ganz besonders dicken Schmatzer sendet dir Woody (Buho aus Santiago)!
24.01.2015