So sieht's aus
Hola!
Ich bin’s – der Jerry aus Gummersbach. Einige von Euch kennen mich wohl noch als Electro aus Santiago. Tja, das war ein anderes Leben….
Ich bin jetzt schon seit über sechs Wochen in KG-Land (sagt mein Frauchen, ich hab’s ja nicht so mit den Wochen zählen) und sie meinte, ich soll mich doch mal melden. Weil hier alle so nett waren und sich so für mein Schicksal interessiert und mit mir mitgefiebert haben und so…. Deshalb hau ich jetzt mal in die Tasten (aber die sind so klein und meine Pfoten so groß….)
Wie Ihr vielleicht wisst, saß ich ja zwei Jahre Spanien im Knast. Ohne dass ich was gemacht habe, ich schwöre! Aber das geht da ruck zuck und schon wirst Du eingebuchtet!
Zur Flucht verholfen hat mir Frau Ackermann. Der bin ich auch echt dankbar, ich weiß nicht, was ohne sie aus mir geworden wäre.
Die Flucht war ja noch ganz cool. Auch die Übergabe auf der Flughafentoilette hatte was von einem Agententhriller. Aber danach kam mir doch alles sehr spanisch vor…
Man hat mich hier in Gummersbach in einem kleinen Zimmer eingesperrt – bei Wasser und Brot! Okay, okay, so klein war das Zimmer nicht (verglichen mit der Knastzelle) und statt Brot gab es Katzenfutter. Eigentlich war ich ganz froh, dass ich erst mal meine Ruhe hatte, mich ausschlafen und mir den Bauch vollschlagen konnte. Aber es roch alles so komisch und war so anders. Und irgendwie hab ich auch meine Kumpels aus dem Knast vermisst.

Deshalb blieb ich erst mal für vier Wochen hinter dem Schreibtisch. Ich meine, ich hätte ja rausgehen können, die Tür stand offen, aber ich dachte, nee lass mal.

Die Blonde, die mich am Flughafen abgeholt hatte (mittlerweile weiß ich ja, dass es mein Frauchen ist), hat sich in der Zeit ganz schön in’s Zeug gelegt. Sie hat sich immer zu mir gesetzt und auf mich eingeredet, wie süß und lieb ich doch sei (als ob ich das nicht wüsste!) und dass mir hier keiner was tun würde (das kann ja jeder sagen! Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste oder wie das heißt). Ab und zu kam auch ein dicker blonder Kater nach mir gucken.

Der heißt Humphrey (ich meine, was ist das denn für ein Name?!? Kommt der aus Hollywood?). Eigentlich ist er ganz okay, ein alter Junge halt.
Nach ein paar Tagen dachte ich, geh mal zu der Blonden hin, die scheint ja ganz nett zu sein. Außerdem gibt sie sich echt Mühe und so ein paar Streicheleinheiten wollte ich schon gerne haben. Wir haben uns auch ziemlich schnell angefreundet und sogar gekuschelt (Pst! Nicht weitersagen! Ich will nicht, dass meine Kumpels in Spanien davon erfahren; die sagen dann noch, ich sei ein Weichei). Ich glaub, das nennt man Stockholm-Syndrom. Irgendwann sympathisiert das Opfer mit den Entführern (hab ich mal gelesen).
Naja, so gingen die ersten Wochen in’s Land und ich war ganz zufrieden hinter bzw. in meinem Schreibtisch. Zumal da noch so ein Mann im Haus rumlief, der mir nicht ganz geheuer war. Der hat so eine tiefe Stimme und poltert die Treppen hoch und runter.
Aber irgendwann wurde es auch langweilig in dem Zimmer. Zumal ich mitgekriegt habe, dass in der Küche einiges abging. Die Blonde hat mich mal mit einem miesen Trick da reingelockt. Ich meine, ich bin ja nicht käuflich, aber gekochten Schinken hatte ich vorher noch nie gegessen und wusste gar nicht, wie gut der schmeckt.
Und morgens war immer was los in der Küche. Ich hatte zwar einen Napf in meiner Zelle, aber alleine essen macht dick, heißt es ja immer. Deshalb bin ich irgendwann einfach mal gucken gegangen, was es da so gibt. Da hab ich auch die weiße Zicke kennengelernt. Ivy oder wie die heißt. Also die ist mit Vorsicht zu genießen. Aber Frauchen sagt, die hat was Schlimmes erlebt und einen Kleinen an der Klatsche deshalb. Hallo? Meint Ihr, mein Leben war bisher ein Zuckerschlecken?!? Aber ich werde schon fertig mit der, ist ja nur eine halbe Portion. Geschoren ist sie auch noch, weil sie sich nicht kämmen lässt, sagt Frauchen. Ich lass mich gerne kämmen!
Der Mann ist auch ganz in Ordnung, habe ich festgestellt. An die Stimme hab ich mich gewöhnt und er darf mich jetzt auch streicheln.
Überhaupt hab ich gar keine Lust mehr, in meiner Zelle zu sitzen. Lieber stromer ich im Haus rum.

Es gibt ja auch einiges zu entdecken! Okay, bisschen Kollateralschaden gibt es dabei hin und wieder auch. Aber die scheinen hier nix Wertvolles zu haben, jedenfalls schimpft keiner großartig, wenn was zu Bruch geht. Und ich mach’s ja nicht extra.

Dafür helfe ich ja auch bei der Hausarbeit. Spülmaschine ausräumen, Wäsche zusammenfalten, Betten machen – nix läuft mehr ohne mich.

Einer muss ja den Überblick behalten. Manchmal geh ich auch mit Frauchen auf Toilette, muss ja gucken, ob sie alles richtig macht. Und nachts schlaf ich bei meinen Leuten im Bett. Das finden die ganz schön cool, glaube ich. Und ich find’s eigentlich auch ganz gemütlich.

Alles in allem hätte ich es schlechter treffen können, glaube ich. Ab und zu gucke ich mal aus dem Fenster und stell mir vor, wie es wäre, die Freiheit zu genießen und durch die Felder zu jagen.

Aber Frauchen sagt, das sei zu gefährlich. Die Lucy, die sie aus Spanien gerettet hat, wurde nämlich im letzen Jahr von einem Auto überfahren. Und wer weiß, wo ich ende, wenn ich von hier abhaue? Ich glaube, das ist es mir nicht wert.

So, jetzt wisst Ihr, was hier so los ist. Frauchen hat ein paar Bilder von mir gemacht, die schick ich mal mit. Frauchen meint, mich könne man nicht so gut fotografieren, in Natura sähe ich viel besser aus. ich glaub ja eher, das ist ein Anwenderproblem…

Und Danke nochmal für’s Mitfiebern und Daumen drücken! Ich hoffe, es können noch ein paar von meinen alten Kumpels gerettet werden. KG-Land ist doch irgendwie besser als Spanien!
Hasta Luego!
Euer Jerry
(Electro aus Santiago)