

Vicky
Im Gedenken an unsere Vicky möchten auch wir einen kleinen Beitrag zum Thema "Alter Hund - Na und?" leisten, um potentielle Körbchengeber zu ermutigen, ihr Herz ruhig auch an ein älteres Hündchen zu verschenken.

Dazu erzähle ich einfach mal die Geschichte unserer spanischen Hundedame, die im Alter von ungefähr 10 Jahren mehr oder weniger durch Zufall in unser Leben trat. Eigentlich waren wir nämlich damals für einen anderen Hund in's Tierheim gefahren, bei dem mir jedoch nach der Vorstellung durch die Tierheimmitarbeiter Zweifel kamen, ob dieser Vierbeiner gut zu unserer Familie und insbesondere zu unserer damals achtjährigen Tochter passen würde. Im Nachbarzwinger unseres eigentlich auserwählten Hundes saß eine ungefähr mittelgroße weiß-braune Hundedame, die während der Gespräche mit den Tierheimmitarbeitern interessiert zu uns herüberschaute. Darauf angesprochen, wurde eine Vermittlung an uns jedoch sofort kategorisch abgelehnt, da wir eine junge Familie ohne nennenswerte Hundeerfahrung waren (nur ich konnte die früheren Dackel und den damals aktuellen Terriermischling meiner Eltern als Erfahrungswerte vorweisen). Und bei der Hündin handelte es sich, wie man uns erzählte, um ein sehr ängstliches, bereits älteres und von schlechten Erfahrungen mit dem Menschen geprägtes Tier aus dem Auslandstierschutz, das gerade frisch aus Spanien eingetroffen war und sich bisher noch von keinem Tierheimmitarbeiter auch nur annähernd anfassen ließ, sondern immer sofort vor dem Menschen flüchtete.
Wir konnten die Gründe für die Ablehnung natürlich gut nachvollziehen, hockten uns aber trotzdem mal vor ihren Zwinger und redeten ein wenig mit ihr, einfach nur mal so. Und dann geschah das Unglaubliche: Bicky, so hieß die Hündin im Tierheim, kam zu uns an das Gitter und ließ sich sogar von meiner Tochter streicheln! Brav saß sie da und schloss Freundschaft mit dem Menschenmädchen. Als wir sie dann leider verlassen mussten, drehten wir uns traurig noch einmal zu ihr um, denn eine Adoption kam ja leider nicht in Frage, und Bicky stand hinter ihren Gittern und schaute uns genauso traurig dreinblickend hinterher. Nachdem wir den Zwingerbereich verlassen hatten, wurde uns dann - juchhu! - von den Tierheimmitarbeitern, die irgendwie in's Grübeln gekommen sind, mitgeteilt, dass wir ruhig, wenn wir noch Interesse hätten, am nächsten Tag mal zu einem Probespaziergang wiederkommen könnten, und dann würde man mal weitersehen. Denn die berühmte "Liebe auf den ersten Blick" zwischen unserer Tochter und Bicky hat auch die Leute dort irgendwie fasziniert. Gesagt, getan - lange Rede, kurzer Sinn - wir durften Bicky nach einem weiteren Besuch adoptieren, sie kam mit nach Hause und wurde in Vicky umgetauft. Übrigens hat auch das andere Hündchen, das wir anfangs zuerst besucht hatten, schnell ein anderes Zuhause gefunden.
Nun war Vicky bei uns eingezogen und zugegebenermassen war der Anfang nicht ganz einfach. Sie ließ sich zunächst wirklich nur von unserer Tochter anfassen, nahm aber sonst glücklicherweise alles andere auch von uns an (Essen, Trinken) und hörte komischerweise direkt auf ihren Namen. Rief man sie, kam sie sofort angesaust und blieb mit einem Sicherheitsabstand von ungefähr einem Meter vor einem stehen. Wir wurden sehr erfindungsreich, zum Beispiel leinte meine Tochter sie vor der Schule an, damit ich dann mit ihr ausgiebig spazierengehen konnte. Danach zog ich dann auch für 1 Stündchen los, und zwar alleine in die Hundeschule, um mir von einem Trainer erklären zu lassen, wie ich das Vertrauen einer 10jährigen verängstigten Hundedame gewinnen kann. Ich habe alle seine wertvollen Tipps beherzigt und siehe da: Nach 2 Wochen konnte auch ich unsere Vicky anfassen und anleinen. Ich brauchte als unerfahrene Ersthundehalterin diese Unterstützung, Vicky dagegen hat alles von selbst und rasend schnell gelernt, auch in ihrem hohen Alter noch. So hat sie beispielsweise sofort begriffen, dass man nicht unter dem Gartentisch hindurchlaufen oder um Laternen herumturnen kann, wenn ein Mensch an der Leine hängt. Sie ging - obwohl sie es nicht gewohnt war - auch von Anfang an manierlich an der Leine, da sie ja kein tobender und herumspringender Jungspund mehr war. Wir genossen unsere Ausflüge immer in Ruhe und ausgiebig. Andere Hunde waren kein Problem, jedoch hatte sie anfangs panische Angst vor Nordic Walkern, Bauarbeitern, Männern im allgemeinen. Dann versteckte sie sich immer hinter mir. Nur wenige Wochen später zuckte sie noch nicht einmal mehr mit der Wimper, wenn uns diese "Stöckemenschen" (Nordic Walker) entgegenkamen und ging einfach an ihnen vorbei. Ganz von selbst, ohne Training. Zu unserer Tochter hatte Vicky ja von Beginn an eine super Beziehung und nun wuchs unsere Bindung auch von Tag zu Tag und wurde immer inniger und vertrauter. Mit meinem Mann kam Vicky auch zurecht, ging mit ihm spazieren, ließ sich von ihm füttern, baute aber nicht eine solche Freundschaft zu ihm auf wie zu uns. Das war für ihn aber o.k. Wir machten immer mehr Fortschritte, von Tag zu Tag, Vicky blühte regelrecht auf und fing an, ihr Rentnerleben so richtig zu geniessen. Es war so schön zu sehen, wie sie sich quietschvergnügt im Garten auf dem Rasen wälzte, danach tiefenentspannt in ihrem Bettchen ruhte, Hundefreundschaften schloss, sich einfach ihres Lebens freute. Plötzlich fing sie sogar an, seitliche Purzelbäume bzw. Seitwärtsrollen zu vollführen, wenn sie gerade besonders fröhlich war. Sie hat sich hervorragend in unser Familienleben eingefügt und konnte noch 3 Urlaube mit uns an der See verbringen, die sie auch sehr genossen hat. Obwohl in der Fremde, klappte auch hier alles völlig unproblematisch, wir konnten sie überallhin mitnehmen, auch in Restaurants, sie wusste sich automatisch immer gut zu benehmen, ohne dass wir das jemals mit ihr geübt hätten. Sie war einfach nur froh, dabeizusein. Mit der Zeit wurde ich auch von anderen Leuten angesprochen, wie sehr Vicky sich doch noch entwickelt hat, und das in ihrem hohen Alter als Hundeomi. Sie war auch sehr stolz auf ihre neue selbst ausgesuchte Aufgabe in unserem Familienverbund. Sie hat nämlich die Rolle des Empfangskomitees übernommen. Anfangs ist sie immer in ihr sicheres Bettchen geflüchtet, wenn Besuch kam, und hat die neuen Menschen mit gebührendem Sicherheitsabstand von weitem beäugt. Mit der Zeit war sie dann schließlich immer die erste an der Haustüre und hat Besuch schon angekündigt, bevor dieser überhaupt klingeln konnte. Dabei wusste sie sehr gut zu unterscheiden zwischen wirklichen Freunden/Verwandten unserer Familie, die anstandslos Einlass fanden, oder aber Handwerkern, Paketboten, Zählerablesern, die misstrauisch "beaufsichtigt" wurden. Bei ihr unbekannten Personen wich sie mir nicht von der Seite und passte gut auf, dass diese sich auch benahmen. Lobte man sie für ihren "Geleitschutz", konnte man richtig sehen, wie sie vor Stolz strahlte, so brav aufgepasst zu haben. Sie hatte ihre Position in unserer Familie gefunden, wurde eine selbstbewusste Hündin und meine allerbeste Freundin. Auch freut es mich heute rückblickend, dass wir in der Zeit, in der Vicky unser Familienleben bereicherte, selbst hier bei uns zwei richtige Winter mit viel Schnee erleben durften, über die unsere südländische Hundedame mit dem wahnsinnig dichten Huskymischlingsfell sich soooooo sehr gefreut hat. Es war berührend, mitanzusehen, wie sie über die Schneeflocken zuerst ungläubig gestaunt hat und dann die Schneewochen im Garten und bei Spaziergängen von ganzem Herzen genoß. Und dann die ausgiebigen Siestas in ihrem Kuschelbettchen im warmen Wohnzimmer ebensosehr. Ich hoffe, aus meinen Erzählungen kann man erkennen, wie extrem lern- und anpassungsfähig auch ältere Hunde sind, selbst wenn sie zuvor niemals ein Leben als vollständiges Familienmitglied kennengelernt haben.
Vicky hat viereinhalb Jahre bei uns gelebt. Drei Monate, bevor sie uns verlassen musste, wurde sie leider sehr krank. In dieser Zeit war ich ungefähr 2x pro Woche mit ihr beim Tierarzt. Sie war nun schon ungefähr 14 Jahre alt. Da wir nun so oft "zu Gast" in der Tierarztpraxis waren, haben wir dort im Wartezimmer natürlich auch viele andere Hundeschicksale kennengelernt. Ich bin in der Zeit oftmals völlig fassungslos gewesen, da ich es einige Male erlebt habe, dass Hundehalter von ihren schwer erkrankten Hunden bereits im Alter von teilweise sogar nur 2 oder 3 Jahren Abschied nehmen mussten. Damit rechnet man ja nun gar nicht. Was ich damit sagen möchte, man kann sich nie sicher sein, wie lange ein Hund bleiben darf, bei einem jungen Hund nicht und bei einem alten Hund natürlich auch nicht. Ich persönlich finde nur, dass die Altersfrage kein Argument ist, an Hundesenioren vorbeizuschauen, in der Angst, dass die gemeinsame Zeit sehr begrenzt sein könnte. Das kann einem bei Hunden jeden Alters passieren, vor Krankheit oder auch Unfall ist kein Vierbeiner geschützt. Wenn einem ein Hundesenior so richtig an's Herz geht, sollte man sich nicht davor scheuen, ihm ein schönes Zuhause und ein Rentnerleben in Geborgenheit zu schenken.
Es wäre schön, wenn unsere Erfahrung möglichen Interessenten für ältere Hunde ein wenig Mut machen konnte.
Herzliche Grüße von Meike