Bess - Ein Podenco sollte es... eigentlich nicht sein



Ein Podenco soll es sein“……nein, ein Podenco sollte es eigentlich nicht sein. Und auch kein anderer Hund. Wir hatten ja einen tollen Hund, unseren Labrador Paul, damals 9 Jahre alt. Fünf Siamkatzen – sie gelten als anspruchsvoll, zickig und sehr eifersüchtig- gehörten neben Mann und Sohn auch zur Familie.

Im September 2007 ging ich völlig arglos in meine Fressnapf-Filiale, um Futter zu kaufen. Gleich am Eingang gibt es ein „Schwarzes Brett“ und dort hing das Foto eines wunderschönen Hundes: braun-weiß, rauhaarig und mit sanften braunen Augen. Und Ohren – seitlich ausgeklappt, wirklich groß – zum Verlieben!


„Podenco-Mix-Hündin sucht DRINGEND ein Zuhause!“ , eine Telefonnummer, e-mail- Adresse
Ich wusste wenig über Podencos, hatte bei einer Hundeausstellung mal einen gesehen, der allerdings viel größer gewesen war. Aber die Ohren waren mir damals schon aufgefallen.
Ich schreib mir die E-mail-Adresse auf. Zu Hause wälzte ich sämtliche Hundebücher. Von „anstrengend“ oder „kompliziert“ stand da nichts, wohl aber von „starkem Jagdtrieb“, „ nicht zu Katzen“, „Windhund mit Rennambitionen“, „ Erziehungsresistenz“.
Ich schrieb trotzdem eine mail, in der ich unsere „Verhältnisse“ ehrlich schilderte. Die Antwort stürzte mich in noch größere Qualen. Die Hündin, Bess, sei absolut rudeltauglich, verträglich mit anderen Hunden und mit Katzen, allerdings nicht kastriert und vor allem furchtbar ängstlich.“ Menschen mit Geduld“ würden gesucht.
Die hatte und habe ich. Nun galt es nur noch, meine Männer zu überzeugen, sie wenigstens mal anzusehen. Die Gelegenheit ergab sich schon 3 Tage später. Die vermittelnde Organisation veranstaltet sonntags immer Spaziergänge mit den Hunden und ihren neuen Familien. Die Pflegefamilie, in der Bess nicht bleiben konnte, würde mit ihr da sein.
Um es mild auszudrücken: sie gefiel uns. Die knallharte Wahrheit war: ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass sie nicht unser Hund sein könnte.
Paul war sehr einverstanden. (Ich hatte ihm zugesagt, dass nicht er es sein würde, der kastriert würde!). Nun noch die Katzenprobe. Kein Problem!
Wir fuhren dann gleich mit, um den Vertrag zu machen und abends schlief Bess schon in ihrem neuen Körbchen. (Klar hatte ich eins gekauft!)
Sie war sofort bei uns zu Hause, hatte sich aber entschieden, dass ich am dringendsten eine weibliche Begleitperson brauchte : sie wollte MEIN Hund sein (und ist es bis heute!)


Die Probleme, die sie hat, haben gar nichts mit ihrer Rasse zu tun. Es sind die Probleme, die wohl alle Hunde mit ihrer Vergangenheit haben: Verlustängste, Angst vor bestimmten Dingen, Panik in besonderen Situationen, die ständige Suche nach etwas Fressbarem . War ihr Napf leer, schaute sie bei Paul. War da nichts mehr, klapperte sie die Katzennäpfe ab. Dann den Tisch, die Arbeitsflächen, den Pferdebrotsack, schließlich den Mülleimer. Wir arbeiten dran!
Ein anderes „Problemchen“: sie blieb von Anfang an prima „allein“, d.h. mit den anderen Tieren. War ja auch nie lange. Jürgen konnte sich seine Arbeit einteilen, ich war mittags wieder da. Aber sie wollte nicht, dass ich wegging. Die Männer durften gehen, aber sobald ich das Haus verließ, setzte sie sich hin und machte eine große Protestpfütze. Das hat sich inzwischen komplett gegeben, einfach durch „Ignorieren“. Aufwischen, nix sagen, weggehen, wiederkommen, immer wieder.
Das 3. „Problem“ ist als solches gestrichen. Bess sollte ja eigentlich mein „Reitbegleithund“ werden, aber sie hat panische Angst vor Pferden. Sie geht mit zur Weide, aber sobald eines der Pferde näher kommt, geht sie zurück. Ich habe beschlossen, ohne Reitbegleithund auszukommen. Bess bleibt anstandslos zu Hause und gut ist’s.


Schlimmer ist es mit ihrer Angst vor anderen Hunden. Je kleiner sie sind, desto verrückter wird sie. Angesichts eines Welpen hat sie sich mal aus Halsband und Geschirr befreit vor Angst. Sie läuft nicht weg, nur außer Reichweite des vermeintlichen „Feindes“. Kann sie nicht weg, „schreit“ sie wie in höchster Gefahr, was die meisten Hunde, die in freidlicher Absicht kommen, total verwirrt . Oft fangen sie dann an zu knurren, was Bess in ihrer Angst bestätigt.
Durch konsequentes Training in der Hundeschule, erst allein, dann mit dem Hund der Trainerin, dann in der Gruppe, geht es viel besser. Und wenn sie einen Hund erstmal kennt, spielt sie inzwischen gern und entspannt. Nebenbei haben wir einen Tellington- Kurs zusammen besucht, der ebenfalls dazu beigetragen hat, dass sie weniger ängstlich ist.
Die einzige „Panik“, die unverändert geblieben ist, ist die Angst vor Gewitter. Da muss sie dann zu mir auf den Schoß oder zu mir ins Bett.

Der Jagdtrieb? Naja, sie ist schon aufmerksam, aber das war der Labrador auch. Wir haben auf dem Land ein eingezäuntes Grundstück, 6000 Quadratmeter. Die waren aber schon eingezäunt, bevor wir Bess hatten. Mittlerweilen ist der Weg zur Koppel wieder ständig offen.
Bess liebt es, über das Grundstück zu toben. Sie hält es frei von fremden Katzen und großen Vögeln wie Elstern und Eichelhähern. Die Spuren der Rehe, die sich Äpfel und Birnen von der Wiese holen, verfolgt sie, verlässt aber nicht das Grundstück. Im Wald geht sie an der Schleppleine oder an der Flexi Die Brandenburger Förster und Jäger verstehen wenig Spaß und die, gemessen an Berlin, sehr strenge Hundeverordnung gibt ihnen Recht.
Bess „gehorcht“ nicht, aber sie hört sehr gut. Wenn ich pfeife, kommt sie herbeigeflogen. Meistens jedenfalls.
Sie kennt Kommandos wie „Sitz“ und „Platz“. Wenn sie beim Zeitungshändler oder in der Apotheke auf ihr Leckerli wartet, sitzt sie ganz brav und wenn sie Lust hat, tanzt sie auf den Hinterbeinen oder gibt ihre Pfote. Aber solche Artigkeiten behält sie sich für besondere Anlässe vor! Mir wäre noch wichtig, dass sie zuverlässig am Straßenrand wartet. Aber da sie in der Stadt ohnehin an der Leine geht, ist es auch nicht zu wichtig.

Nein, schwierig ist sie nicht und auch nicht anstrengend. Ich will ja laufen, aber nicht allein. Sie will auch laufen, sehr gern mit mir. Wenn die Runde mal kürzer ausfallen muss – sie beschwert sich nicht. Sie will gern überall dabei sein. Das kann sie, denn sie benimmt sich wunderbar.

Bess ist eine tolle Hündin. Seit Paul tot ist – im vergangenen Oktober ist er über die Regenbogenbrücke gegangen – sind wir noch näher zusammengerückt. Paul war immer mein „Seelenhund“. Er tröstete und beschützte auch Bess, wie ein großer Bruder das eben macht. Nun passen wir gegenseitig aufeinander auf!

Und natürlich hat sie auch Jürgen zu einem „eigenen“ Hund verholfen. Wir bekamen im Frühling 2005 einen Anruf von Bessis Vermittlern. Sie hatten bei den Treffen gesehen, was aus Bess geworden war und legten uns nun einen „unvermittelbaren“ Zwergdackelmix ans Herz. Der ist nun allerdings wirklich anstrengend, schwierig und erziehungsresistent!! Aber er hat sich so blitzartig in Jürgens Herz eingenistet wie Bess damals in meins!


Ich würde mich immer wieder für einen Podenco entscheiden, d.h. Bess und ich hätten gern einen zweiten. Wir arbeiten dran und halten Augen und Herzen offen!