Linda - Über den Regenbogen


Mitte Oktober 2004 ist Linda bei uns eingezogen.
Die alte Lady hatte sich in die Flugbox geschlichen und Asyl bei uns beantragt. Nachdem wir kurze Zeit später die Diagnose „Krebs“ schwarz auf weiß vor uns liegen hatten, haben wir ihr diesen Wunsch gerne erfüllt.
Die Prognose lautete, daß Linda nur noch 8 Wochen zu leben hat. Wenn Sie Weihnachten noch schafft, hat sie Glück gehabt. So hieß es damals.


Linda hat Weihnachten noch geschafft.
Und Ostern.
Dann hat sie den Papst überlebt.
Noch mal ist es Weihnachten geworden.
Und noch mal Ostern.
Linda zur Freude haben wir an Ostern eine Weihnachtsgans gemacht. Weil sie die Gänsekeulen so gerne gefressen hat.
Und weil wir schon geahnt haben, daß sie es vielleicht nicht noch mal bis Weihnachten schaffen würde.


Heute ist Linda über den Regenbogen gegangen.
Wir haben den 31. Juli 2006.
8 Wochen hätte sie bei uns bleiben sollen.
21 Monate sind es geworden.

Der Platz im Wohnzimmer ist so entsetzlich leer.
Und unser Herz ist voll.
Voll mit Liebe für diese alte Lady.


Sonntags stand sie immer am Frühstückstisch und hat sich ein Stückchen Käse und eine Scheibe Wurst abgeholt.
Linda ist die Einzige gewesen, die hier betteln durfte.
Jeden Sonntag das gleiche Spiel.
Immer...
Aber gestern...
Gestern war Sonntag.
Und Linda hat die Kraft nicht mehr gefunden, aus ihrem Körbchen zu steigen und sich ihr Frühstück abzuholen.


Schon lange wußten wir, daß der Krebs gestreut hat.
Metastasen in der Lunge.
Die Atmung wurde schwerer.
Aber noch letzte Woche hat sie im Garten mit mir fangen und verstecken gespielt und morgens zum Wecken gebellt.


Heute morgen hat Linda nicht frühstücken wollen.
Unsere verfressene Lady, die nachmittags immer ihren Dörrfleisch- Snack eingefordert hat.
Schon seit ein paar Tagen hat sie nicht mehr gebellt am Nachmittag.
Sie hat sich drauf verlassen, daß ich den Snack auch so vorbei bringe.
Was ich natürlich getan habe.


Alles was in unserer Macht stand, haben wir für Linda getan.
Nach dem langen, schweren Leben auf Ibiza sollte die alte Dame hier den Himmel auf Erden haben.
Manchmal hat sie uns ganz schön tyrannisiert.
Wehe, es lief etwas nicht so, wie sie es sich vorgestellt hat.
Dann hat sie so lange gequengelt und genervt, bis alles wieder ihren Wünschen entsprach.

Linda ist bei uns im Wohnzimmer über den Regenbogen gegangen.
In Ruhe
In Frieden
In Ihrem Körbchen
In meinen Armen ist sie gestorben
Wir mußten sie gar nicht einschläfern
Das Narkosemittel war schon genug

Es war Zeit.
Zeit für Linda – zu gehen

Aber dennoch...

Der Verstand sagt mir, daß es das Letzte war, was ich für Linda noch tun konnte.
Sie in Würde gehen zu lassen.
Ohne Schmerz
Zuhause
Sie war nicht allein und ist irgendwo am Straßenrand elend krepiert.
Sie war nicht allein in einer kalten Tierarztpraxis, weil Herrchen und Frauchen zu feige waren, ihr beim letzten Atemzug die Pfote zu halten.
Pit war da
Ich war da
Das Herz voll mit Liebe

Unsere Tierärztin hat mit uns am Boden gesessen und sie gestreichelt.
Ein heimliches Tränchen vergossen.

Liebe
Das war das Letzte, was Linda gespürt hat.

Das hoffe ich jedenfalls.
Ich rede es mir ein.
Daß Linda glücklich gestorben ist.

Und unser Herz weint.

Linda wird immer einen Platz darin haben.
Wir werden die alte Lady nie vergessen.
Linda und das wunderschönste Lächeln der Welt.


Doch bei allem Schmerz stellt sich die Frage, wie es weiter geht.
Lindas Körbchen ist frei.
Ich bin sicher, sie hätte nichts dagegen, ein anderer alter Hund zieht dort ein.
Nein, da hätte Linda ganz sicher nichts dagegen.
Im Gegenteil
Sie wird ihrem Nachfolger ins Ohr flüstern, wie man uns am besten um die Pfoten wickelt.
Und von irgendwo jenseits des Regenbogens wird sie zugucken, und zufrieden an einer Gänsekeule nagen.