Mozart - es ist nie zu spät



Es ist nie zu spät.
Das ist es, was ich in meinem langen Leben gelernt habe.
Dabei war ich schon ziemlich alt, bevor mein Leben überhaupt angefangen hat.
Wie alt genau kann ich gar nicht sagen.
Jedenfalls hatte ich noch ungefähr 5 Zähne, als ich im Sommer 2005 eines morgens im Tierheim Sara auf Lanzarote angebunden worden bin.
Mein Ex- Mensch wollte mir wohl nach einem langen, erfolgreichen Leben als Zuchtrüden was Gutes tun. Er wollte wohl, daß ich noch ein bißchen was von meiner Rente habe. Deshalb hat er mich am Tierheim angebunden, statt mich in der Perrera zu entsorgen.
Nett von ihm, oder? Nachdem ich ihm viele, viele Welpen gezeugt habe, hat er mir zu einem Gnadenbrotplatz im Tierheim verholfen.
Naja...
Und dann saß ich da plötzlich im Zwinger.



Ich wußte überhaupt nicht, was mir passiert ist.


Etwa ein halbes Jahr habe ich da gesessen.
Niemand hat sonderlich Notiz von mir genommen.
Warum denn auch?
Wer will denn schon einen alten, ausgedienten Köter adoptieren?
Aber dann...
Nach einem halben Jahr kam Anke ins Tierheim.
Sie hat ganz explizit nach mir gefragt.
Sie hat mich aus dem Zwinger geholt und ein Fotoshooting mit mir gemacht.
Wow, war das aufregend.



Ich wußte gar nicht, wie ich mich hin stellen sollte.


Aber ich hab’s wohl ganz gut gemacht.


Jedenfalls bin ich kurze Zeit später auf die große Reise gegangen.
Am 13. März 2006 war das, um genau zu sein.
Plötzlich war ich nicht mehr ein „hoffnungsloser Fall“ im Tierheim“, sondern ein „Gast“ bei Steffi und Pit.
Damit konnte ich natürlich erst mal überhaupt nichts anfangen.
Was tut man so als Gast?
Und was nicht?



Ich habe erst mal versucht, mich unauffällig zu verhalten.
Muß ja keiner merken, daß ich da bin.
Nicht, daß sich meine Reise hinterher als Versehen raus stellt, und ich wieder zurück muß.
Also ab ins Körbchen.



Daß ich erst mal ein bißchen üben mußte, bevor ich den Dreh mit dem Körbchen raus hatte, ist logisch.
Schließlich habe ich in meinem Leben noch nie ein Körbchen besessen.
Aber dann hat’s geklappt.


Die ersten Wochen habe ich im Flur gewohnt.
Nicht, daß ich nicht überall hin gedurft hätte – nein, ich habe mich einfach nicht getraut.
Aber dann, ganz langsam, bin ich näher gekommen.



Und dann habe ich mich tatsächlich irgendwann getraut, bei Steffi im Arbeitszimmer zu liegen.
Das war vielleicht klasse.
Ich war plötzlich nicht mehr außen vor, sondern mittendrin dabei.


Hier habe ich auch meinen Freund, das Gummihuhn kennen gelernt.


Im Garten habe ich Linda getroffen.


Und dann habe ich mich mit Missi um das Sofa gestritten.


Zusammen gefaßt könnte man sagen, ich habe mich sauwohl gefühlt.


Das Größte war für mich immer das spazieren gehen.
Jeder, der mich draußen gesehen hat weiß, warum ich so lange zur Zucht verwendet worden bin.
Ich habe einen tollen Speed.
Von null auf hundert im Nullkommanichts.



Und ich habe JEDEN Hasen gesehen.
Auch wenn der sich noch so gut versteckt hat.
Mein Jagdtrieb kann sich wirklich sehen lassen.



Ich bin immer ein stolzer, imposanter Hund gewesen.
Mit einer majestätischen Ausstrahlung – wenn ich das mal so sagen darf.
Aber irgendwie...
In letzter Zeit...
Ich bin müde geworden.


Und neulich hatte ich einen ganz komischen Traum:
Ich stehe hier in Zülpich auf dem Feld und gucke so in die Ferne.
Und da sehe ich einen Weg vor mir.
Der ist kunterbunt und schillert in allen Farben.
Natürlich bin ich neugierig und gehe hin, um mir diesen merkwürdigen Weg anzugucken.
Viele andere Tiere haben den Weg auch entdeckt und kommen ebenfalls gelaufen.
Wir sind alle ganz schön ratlos.
Aber der eine oder andere setzt dann doch eine Pfote auf den Weg.
Und wenn man den Weg entlang guckt und sich ganz genau konzentiert, dann sieht man am anderen Ende eine Imbißbude.
Und wenn man dann schnuppert, riecht es irgendwie nach Martinsgans.
Als ich den Traum zuletzt geträumt habe, habe ich sogar gedacht, ich würde Linda hinter dem Tresen von der Imbißbude stehen sehen.
Ihr könnt Euch doch noch an Linda entdecken - die große, alte Podenco- Lady, die bis letzten Sommer hier in Zülpich gewohnt hat.
Jedenfalls habe ich fast gedacht...
Aber das ist natürlich albern.
Linda würde nicht hinter dem Tresen stehen, sondern davor...
Sie würde keine Gänsekeulen verteilen, sondern selber essen.
Deshalb weiß ich, daß das nur ein Traum war.



Aber ich merke, daß dieser Traum mir irgend etwas sagen möchte.
Daß da eine Wahrheit dahinter steckt.
Und irgendwie denke ich, auch ich werde bald diesen Regenbogenweg entlang gehen.
Und dann werde ich sehen, ob Linda hinter dem Tresen steht und Gänsekeulen verteilt, oder doch davor.
Aber egal wie’s ausgeht, ich bin ganz sicher, ich kriege die eine oder andere Gäsekeulen- Portion ab.


Ich weiß, wenn ich diesen Weg gehe, werden ganz, ganz viele Leute ziemlich traurig sein.
Aber das müßt ihr gar nicht.
Seht es anders rum.
Ich war da.
Ihr habt mich kennen gelernt, und ich Euch.
Zusammen haben wir eine wundervolle Zeit erlebt.
Und auch wenn diese Zeit kurz war, wir haben sie gehabt.
Keiner nimmt uns die gemeinsamen schönen Momente wieder weg.
Die heimlichen Schmunzler.

Ich habe zwar erst am Ende meines Lebens wirklich zu leben angefangen.
Aber es war nicht zu spät.
Es ist NIE zu spät etwas Neues zu beginnen.

Und auch für uns Hunde ist es nie zu spät.
Auch wenn wir noch so alt sind - es ist IMMER besser ein Körbchen zu haben, als hinter Gittern zu leben.
Selbst dann, wenn das Vernügen mit dem Körbchen nur von kurzer Dauer ist.