
Blinder Hund - Na und?
Diesen Text hier schreibe ich, weil ich meine Erfahrung mit einem Handicap-Hund weitergeben will. Und weil ich möchte, dass die Menschen weniger Angst haben, sich auf einen solchen Hund einzulassen.
Denn ich war auch so.
Ich wollte keinen blinden Hund, ich wollte keinen tauben Hund.
Gerne alt oder älter, aber wie soll ich mit einem Hund klarkommen, der solche Einschränkungen hat…?
Das geht gar nicht – so meine jahrelange Meinung.
Dann ist Angel hier eingezogen.
Sie ist taub.
Das wurde mir allerdings bei der Vermittlung nicht gesagt.
Anfangs war ich völlig zerstört.
Es wäre zwar niemals in Frage gekommen, den Hund deshalb wieder abzugeben.
Aber ich hatte Angst, dass es mich und unser Rudel überfordert.
Heute weiß ich – es war unbegründete Angst.
Die Hunde haben vor mir gemerkt, dass mit Angel etwas anders ist. Ich will nicht so weit gehen, dass ich sage: sie wussten, dass sie taub ist. Aber sie haben Rücksicht auf sie genommen. Unglaublich…. Das hätte ich nie vermutet.
Mit der Zeit wurde ich dann gelassener was das Thema Handicap angeht.
Und dann habe ich Cally bei KG entdeckt.
Er saß in Tirnau, Diagnose „Grauer Star“.
Vor Ort keine Vermittlungschance.
In Deutschland auch eher schlechte Chancen, weil er zudem noch etwas eigenwillig und schwierig ist.
Also habe ich mir im Internet so ziemlich alles über grauen Star angelesen und habe beschlossen es zu wagen: er soll zu uns ziehen. Und wir werden versuchen, ihn mit einer OP zu einem sehenden Hund zu machen.
Er ist eingezogen, die OP hat leider nicht geklappt.
Cally ist blind.
Ich habe tagelang nur geweint. Dachte, dass er jetzt kein lebenswertes Leben mehr haben wird. In dieser Zeit habe ich auch sehr, sehr oft mit Steffi telefoniert. Sie hat versucht, mich wieder aufzurichten. Sie hat, wie auch die Tierärzte, gesagt dass es für ihn wesentlich schlimmer wäre, wenn er keinen Geruchssinn mehr hätte. Ich konnte das nicht glauben – für das menschliche Wahrnehmen ist sehen halt nun mal sehr viel wichtiger als riechen. Ich habe mein Empfinden auf den Hund umgesetzt. Und das ist falsch.
Cally lebt hier genau so wie alle anderen Hunde.
Er hat die gleichen Rechte und er stellt den gleichen Unsinn an wie ein sehender Hund.
Es ist sogar so, dass ich zwischendurch einfach „vergesse“ dass er blind ist.
Er bewegt sich in Haus und Garten so sicher, dass ein Fremder niemals auf den Gedanken kommen würde, dass dieser Hund gar nichts sehen kann.
Auch Spazierwege die er kennt geht er an einer 8-Meter-Flex absolut souverän. Klar, ich muss ihn immer mehr im Auge behalten als einen sehenden Hund. Und er kann natürlich nicht frei im Wald laufen. Aber er orientiert sich sehr an mir oder den anderen Hunden. Für plötzliche Hindernisse zu umlaufen reicht ein „Achtung“ und er bleibt sofort stehen. Dann kann ich ihn problemlos um das Hindernis herum dirigieren.
Im Haus klaut er wie ein Rabe. Er findet trotz Blindheit die Schokolade, egal wo ich sie verstecke. Er zieht volle Joghurtbecher vom Tisch und klaut Milchbeutel. Kein Mülleimer ist vor ihm sicher und wenn sich die Gelegenheit bietet das Katzenfutter zu mopsen, dann sagt er auch nicht nein. Sein Lieblingskörben sieht aus wie eine Sondermülldeponie und wenn ich die Wohnung kehre, sammelt er sofort alle Spielsachen ein und bringt sie zu seinem Müllhaufen in Sicherheit.
Was ich damit sagen will: es ist kein Problem einem blinden oder tauben Hund ein neues Zuhause zu geben. Die Integration ist eine andere, das Arbeiten mit dem Hund ist ein anderes wie mit einem sehenden oder hörenden Hund. Aber ist es nur anders. Nicht schwierig und schon gar nicht unmöglich.
Auch ein bereits vorhandenes Rudel stellte bei uns kein Problem dar.
Die Hunde merken, dass DER anders ist. Meine Hunde wissen, dass es möglich ist dass Cally gegen sie läuft wenn sie im Weg liegen oder stehen. Sie regeln den Umgang sehr unterschiedlich. Bella weicht aus, Angel bleibt liegen und gibt brummelnde Geräusche von sich. Also weiß Cally: Da liegt Angel, ich weiche aus. Und das klappt ganz hervorragend.
Es war auch für uns eine ganz neue Erfahrung die wir machen konnten.
Das Beobachten der Hunde und ihres Verhaltens ist absolut einzigartig.
Wir haben durch sie sehr viel gelernt, besonders dass man keine Vorurteile gegen einen Handicap-Hund haben soll.
Man soll ihn einfach so annehmen wie er ist – so wie ein Hund es auch tut.