DARUM ein "KG- Hund"



Lars Sobiraj: Meine Erfahrungen mit „Körbchen Gesucht“


2011 war kein schönes Weihnachtsfest. Mein Hund war nach meinem Umzug nach Düsseldorf quasi von heute auf morgen erlahmt. Ich lief von Tierarzt zu Tierarzt um für ihn doch keine Besserung erreichen zu können. Am 2. Weihnachtsfeiertag, ausgerechnet an seinem 9. Geburtstag, mussten wir feststellen, dass Frodo Krebs hatte. Die Knochendichte hatte so derart abgenommen, dass er sich beim Absprung vom Sofa auf den weichen Teppich beide Kniegelenke brach. Da seine Hüften schon vorgeschädigt waren, und er sich bei der kleinsten Gelegenheit die nächsten Brüche eingefangen hätte, musste ich ihn leider direkt nach Weihnachten einschläfern lassen. Die „reine Rasse“ hatte ihren Tribut gefordert. Mein Hund Frodo war mir in guten wie in schlechten Zeiten stets ein treuer Begleiter. Ich wollte es nach seinem Tod erstmal alleine versuchen. Geklappt hat das aber nicht wirklich. Vielleicht lag es an den vielen Bildern, die überall in meiner Wohnung hängen. Möglicherweise bin ich für ein Sololeben ohne Hund einfach nicht geeignet. Auf jeden Fall stolperte ich dann wenige Wochen später bei einem Einkaufszentrum in der Nähe von Bergisch Gladbach über einen Zettel von Körbchen Gesucht. Aha, dachte ich mir. Da vermittelt eine Frau aus Zülpich Hunde aus Spanien. Haben wir denn hier in Deutschland nicht genügend arme Wesen, die auf ein Zuhause warten? Das schon. Vor allem die Kampfhunde werden aufgrund der utopisch hohen Steuern immer mehr in Tierheimen statt in Privathaushalten untergebracht. Ob das die Politiker im Sinn hatten oder das sinnvoll erscheint, ist erstmal zweitrangig. Aber nachdem ich auf der Webseite las, dass die dortigen Hunde schon viele Jahre „hinter Gittern“ verbracht haben, und bei älteren Hunden noch weniger Hoffnung auf eine Vermittlung besteht, gab ich mir einen Ruck. Ich schrieb eine E-Mail und glaubte, jetzt könnte es losgehen. Doch langsam. So einfach wie gedacht sollte das alles nicht über die Bühne gehen.


Steffi Ackermanns Röntgenblick

Denn zwischen mir und dem möglichen Hundeglück stand Frau Ackermann, die stets das Beste für ihre Vierbeiner erreichen will. Bei einem anfänglichen E-Mail-Kontakt wurde ich dann also erstmal von vorne bis hinten ausgefragt. Sie wollte wissen, was ich denn so beruflich tue, ob ich genug Zeit für ein Haustier hätte, und welche Wünsche und Vorstellungen ich mitbringen würde. Mein erster Gedanke nach den ersten E-Mails war: okay, das wird nix! Die Hunde, die mir gefallen haben, haben nicht zu mir „gepasst“. Und ich wurde unsicher, ob ich ihren hohen Ansprüchen gerecht werden konnte oder irgendwann auch noch wollte. Erst überlegte ich zu einem ortsansässigen Tierheim zu fahren, doch ihre Sorgfalt bei meiner Befragung und der Auswahl hatte mich irgendwie auch beeindruckt. Das mit dem Tierheim hatte ich dann also erstmal aufs Eis gelegt.

Meine Lebensgefährtin und ich fuhren kurze Zeit und ein Telefonat später mit gemischten Gefühlen zu Frau Ackermann zu Besuch, wo uns ein wieder abgegebener Hund begrüßte. Er wurde von einer Familie zurück gegeben, weil er angeblich auffällig wurde, was ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann. Ein negatives Verhalten konnte ich nicht feststellen, das Tier war sehr zutraulich und hatte keine Angst, selbst nicht vor mir als Mann. Dann verstand ich plötzlich, warum Frau Ackermann alle Interessenten so sehr auf den Seziertisch legt. Sie möchte schlichtweg verhindern, dass sich jemand voreilig ein Tier vermitteln lässt, um es dann wenige Wochen später zurück zu geben. Es darf keine Vermittlungen auf Verdacht geben. Für das betroffene Wesen ist das wirklich das Schlimmste, was passieren kann. Stellen Sie sich vor, Sie zeigen sich von Ihrer besten Seite und glauben, sie seien nach dem zwangsweisen Aufenthalt in der Massenstation endlich mal angekommen. Und dann wird man bei den ersten Anzeichen eines Problems wieder abgegeben. Wie muss man sich da fühlen? Erst verbringt man mehrere Jahre grundlos im „Gefängnis“ und muss seinen Lebensraum mit anderen Vierbeinern teilen, was nicht ohne Raufereien und dauerhafte Spuren vonstattengeht. Und dann fühlt man sich in der neuen Umgebung wohl, hat sich gerade in Deutschland eingelebt. Und dann? Dann geht das Spielchen wieder von vorne los. Der „auffällige“ Hund hatte übrigens schon zum Zeitpunkt unseres Besuchs eine neue Familie gefunden. Und er hatte sich auch mit Frau Ackermanns Chefkatze arrangiert, die bestimmt, was in ihren 4 Wänden so alles vor sich geht. Nach einigen Streicheleinheiten bei Hund und Katz und einem sehr intensiven Gespräch fuhren wir wieder nach Hause und warteten darauf, dass die Frau mit dem Röntgenblick das nächste Mal nach Spanien flog.


Der Höllentrip

Das tat sie auch. Allerdings war der Trip für Benny und die anderen Teilnehmer alles andere als spaßig oder angenehm. Wegen eines Buchungsfehlers mussten Hunde und Frau Ackermann auf Kosten der Fluggesellschaft im Hotel statt im heimischen Bett übernachten. Auch der Weiterflug gestaltete sich schwierig. Aufgrund einer Fehlfunktion des Flugzeugs mussten alle Passagiere, Mensch wie Tier, kurz vor dem Start wieder aussteigen, um auf die Beseitigung des technischen Problems zu warten. In der Folge kam die Maschine mit 22 Stunden Verspätung in Düsseldorf an. Wir wurden mehrfach angerufen und darüber in Kenntnis gesetzt, was jetzt wieder schief gelaufen ist. Und dann plötzlich stand Benny vor mir und war viel größer, als ich ihn erwartet hatte. Der Gute war total fertig. Er spürte aber noch nichts von der Anstrengung der Reise, das war alles noch viel zu frisch und aufregend. Statt in meinen PKW zu springen, urinierte er den Reifen. Okay, kein Problem, das geht wieder ab. Doch wie bekommt man einen Hund dazu, das erste Mal in seinem Leben in ein Auto zu springen? Ganz einfach. Ich habe einfach einen Leckerbissen auf den Rücksitz geworfen. Der Hund folgte ihm sofort und los ging es. Auf der Fahrt nach Bergisch Gladbach hielt ich ihn auf dem Arm und nach einem Spaziergang und ausführlichen Bad versuchten wir dann endlich zu schlafen. Gelungen ist uns das nicht. Nachdem Benny aus seiner gewohnten Umgebung mit vielen Zwischenfällen quasi entführt wurde, kam in ihm die Aufregung durch. Die Nacht wurde zum Tage. Hätte er reden können, er hätte mich gefragt: „Wie, was? Ich soll nun von jetzt auf gleich zur Ruhe kommen? Nach dem Höllentrip?“

Und auch die nächsten Tage dauerte die Aufregung erstmal an. Mehr als 5 Jahre hatte er keine Abwechslung gehabt. Und nun galt es, 5 Meerschweinchen, 4 Wellensittiche und eben so viele Menschen auf einen Schlag kennen zu lernen. Natürlich hatte ihm niemand etwas während seiner Gefangenschaft beibringen können. Die rund 140 Tiere konnte man nur mit dem Allernötigsten versorgen. An Erziehung war nicht zu denken. Und so wurde der arme Kerl anfangs ziemlich oft und nicht minder lautstark darauf hingewiesen, was er alles nicht darf. Doch Benny ist sehr gelehrig und hat sich sehr schnell gemerkt, was geht und was nicht. Auch sonst gab es unendlich viel zu entdecken. Wald, Wiese, Vogelgezwitscher? Das gab es in Spanien nicht.


Ende gut, alles gut!

Mittlerweile hat er sich prächtig daran gewöhnt, dass er an zwei Orten zu Hause ist. In Bergisch Gladbach herrscht Trubel und Lärm vor. In Düsseldorf möchte sein Herrchen zumeist in Ruhe arbeiten, dort stört bis auf das Blubbern der beiden Aquarien niemand die vorherrschende Ruhe. Mir tut die Abwechslung zwischen Theater und Erholung, zwischen Landluft und Innenstadt gut. Er hingegen hätte nichts dagegen, jeden Tag Action zu haben. Während man in der Düsseldorfer Innenstadt weniger gut spazieren kann, bietet sich die dörfliche Umgebung von Bergisch Gladbach geradewegs dazu an. Glücklicherweise hat Benny bislang keinen Jagdtrieb entwickelt. Hier in der Siedlung in Unterbilk wimmelt es vor Kaninchen. Bei der Dämmerung geht dann mal „nach dem Rechten schauen“. Wenn sich die Kaninchen verkrochen haben, kommt er aber sofort zurück. Er könnte ja eine Runde Ball spielen verpassen oder mich verlieren, das geht natürlich nicht.

Dass er diesen Sommer schon 6 Jahre alt wird, stört übrigens nicht. Lieber gebe ich einem Mischling eine Chance auf ein schönes Leben, statt das Unwesen mancher Züchter zu unterstützen. Es muss keine spezielle Rasse sein. Es ist sowieso jeder Hund für sich gesehen einmalig. Benny hat in vielerlei Hinsicht so einiges nachzuholen. Vielleicht wirkt er deswegen so agil und ist extrem fit. Einen derart sportlichen Hund habe ich nie gehabt. Ausflügen mit dem Fahrrad an den Rhein steht nichts im Weg. Auch ohne ausführliches Training konnte er sofort mithalten. Andere Hunde werden zwar kurz begrüßt, spielen in seinem Leben aber keine größere Rolle. Schon nach wenigen Wochen konnte ich mich selbst bei Dunkelheit darauf verlassen, dass mein Hund nicht das Weite sucht. Wenn er nur könnte, würde er einem am liebsten unter die Haut krabbeln und das Gesicht von oben bis unten ablecken, so dankbar ist er den Verhältnissen in Spanien entkommen zu sein.


Ein letzter Tipp...

Wenn Sie nach einem Hund Ausschau halten, so lassen Sie sich bitte nicht vom eingangs beschriebenen Ackermannschen Röntgenblick abhalten. Dies ist keine falsch verstandene Neugierde oder Einmischung. Das Problem ist: Ein Körbchen kann nur dann dauerhaft besetzt werden, wenn es zwischen Mensch und Tier passt. Das gilt es im Vorfeld zu prüfen. Und das kann man nur beurteilen, wenn man Ihre privaten wie beruflichen Lebensumstände wirklich gut kennt. Deswegen ist es so wichtig, alle Fragen vollumfänglich zu beantworten. Da spielt es auch keine Rolle, dass man sich manchmal wie bei der Polizei oder einer Auskunftei fühlt. Hauptsache die richtige Kombination aus Mensch und Tier kann dadurch zusammen finden. Lieber ein paar bohrende Fragen zu viel, als wenn sich nach ein paar Wochen nach der Vermittlung die ersten ernsten Hindernisse einstellen.

Ich wünsche Ihnen und natürlich auch dem Hund viel Glück bei der Suche nach einem passenden Zuhause. Auch wenn es völlig unrealistisch ist: Es würde mich freuen, wenn die entsprechenden Körbchen irgendwann alle gefunden und keine Hunde mehr zu vergeben wären. Doch bis dahin wird es noch ein langer Weg sein, der vielleicht nie endet.

April 2012

Lars Sobiraj