Groß und Klein - gar nicht fein
Viele Hundehalter stellen sich früher oder später die Frage, ob ein Zweithund nicht eine Bereicherung für die ganze Familie wäre.
Ist der bereits vorhandene Ersthund mit Artgenossen verträglich, kann man diese Frage uneingeschränkt mit „ja“ beantworten.
Aber es muß passen!!!
Leider machen sich die Hundehalter oftmals zu wenig Gedanken darüber, was ein Hund als „passend“ empfindet.
Gerade Halter großer und mittlerer Hunde nehmen häufig als Zweithund einen viel kleineren dazu.
Aus Menschen-Sicht verständlich:
- groß und klein sieht einfach niedlich aus
- die Futterkosten für den Kleinen sind geringer
- hat der große, schwarze Hund einen kleinen, weißen Kumpel, wird seine „Gefährlichkeit“ für Außenstehende entschärft
- zwei große Hunde auf dem Sofa oder im Bett ist echt eng
- mit zwei großen Hunden in Urlaub fahren ist problematisch. Schon allein beide ins Auto zu kriegen kann eine Herausforderung sein, wenn man keinen Kombi hat
- zwei große Hunde zu Freunden oder ins Restaurant mitzunehmen ist schwierig
- für zwei große Hunde einen Notfall- Betreuungsplatz zu organisieren ist kaum machbar (wenn man nicht auf eine Hundepension zurück greifen will)
- zwei große Hunde sicher an der Leine zu führen kann wirklich anstrengend sein, gerade bei Schnee oder Glatteis
Tausend weitere Gründe lassen sich aus Menschen-Sicht (!!!) finden, warum klein und groß eine tolle Sache ist.
Aus Hundesicht sieht das hingegen ganz anders aus.
Hunde kommunizieren sehr viel über Körpersprache.
Es hat zum Beispiel eine Bedeutung, dem anderen Hund den Kopf auf die Schulter zu legen.
Ein kleiner Hund hat überhaupt keine Möglichkeit seinem großen Rudelmitglied auf diese Weise deutlich zu machen, wer das Sagen hat.
Er kommt einfach nicht dran.
Wenn Hunde miteinander "spielen", geht dem Hundehalter das Herz auf.
Doch Hunde "spielen" nicht. Es geht nicht ums Vergnügen. Es ist ein Kräftemessen. Ein Wettkampf.
Bei jeder Toberunde wird getestet, wer der Schnellste, der Schönste, der Stärkste im Rudel ist.
"Spiel" hat beim Hund also einen sehr, sehr ernsten Hintergrund.
Es geht um was.
Nämlich darum, wo im Rudel der eigene Platz ist. Und somit irgendwie auch ums eigene Überleben.
Ein kleiner Hund, der mit einem großen Hund im Rudel lebt, muß also permanent über sein Leistungsvermögen hinaus agieren, um nicht als schwach zu gelten.
Der 35 cm Terrier, der mit dem 65 cm Schäferhund um die Wette rennt sieht superwitzig aus.
Aber der Schäferhund macht einen Schritt, der Terrier fünf.
Ja, Terrier sind zäh.
Aber wirklich Freude hat der kleine Kerl nicht daran sich ständig verausgaben zu müssen.
Oftmals heißt es dann, der große Hund nimmt Rücksicht auf den Kleinen.
Er rennt langsamer oder legt sich sogar hin, damit der Kleine um ihn herum springen kann.
Das sieht wirklich zu goldig aus.
Doch was hat der Große davon, wenn er seine eigenen Bedürfnisse permanent verleugnen muß?
Wenn er sich ständig zurück nehmen muß?
Ein großer Hund will in der Bewegung Gas geben – nicht zur Salzsäule erstarren.
Immer wieder kriege ich zu hören, daß man schon immer einen großen und einen kleinen Hund hatte.
Es gab nie Probleme.
Der Kleine war sogar der, der das Sagen hatte.
Stimmt.
Aber warum ist das so?
Der Kleine Hund MUSS sich gegenüber seinem großen Kumpel behaupten.
Tut er das nicht, geht er im Rudel "unter".
Wie anstrengend es für den Kleinen Hund ist, Tag für Tag seine Position im Rudel zu halten, muß man sich einfach mal bewußt machen.
Hinzu kommt das Verletzungsrisiko für den kleinen Hund.
Nimm der Große nur ein Mal keine Rücksicht und haut dem Kleinen beim Spiel freundschaftlich auf den Rücken, oder rutscht aus und fällt auf den Kleinen, ist die Wirbelsäule ganz schnell verletzt.
Einen kleinen Hund und einen viel größeren Hund miteinander "spielen" = in Wettstreit treten zu lassen bedeutet Lebensgefahr für den kleinen Hund.
Viele Hundehalter denken darüber gar nicht nach und lassen ihren Vierbeiner mit jedem Artgenossen spielen, den man beim Gassigehen so trifft.
Das ist ohnehin Schwachsinn.
Hat schon mal jemand was davon gehört, daß sich Wölfe, die nicht zu einem Rudel gehören, im Wald zum Spielen treffen?
Mir ist davon nichts bekannt.
Und Hunde haben eine so gute Nase, daß sie Kokain erschnuppern können. Selbst dann, wenn es in mehrere Plastiktüten verpackt im Tank eines Autos versteckt ist, das auf einem Schrottplatz zwischen vielen anderen Autos steht.
Ein Hund muß nicht an einem anderen Hund schnuppern, um "Guten Tag" zu sagen.
Hund weiß schon auf zehn Meter Entfernung, was mit dem anderen Hund los ist.
Trotzdem werden die Leinen gelöst und Klein und Groß rasen über die Wiese.
Oftmals geht's ja gottseidank auch gut.
Aber wenn nicht?
Dann wird automatisch der große Hund schuldig gesprochen.
NEIN!
Ist er nicht.
Der Besitzer des kleinen Hundes ist Schuld, der seinen Zwerg nicht vor der Gefahr beschützt hat.
Und wenn’s dann mal wirklich ernst wird. Wenn es Streit gibt.
Der kleine Hund hat überhaupt keine Chance.
Nicht umsonst heißt es immer wieder: Großer Hund hat kleinen Hund totgebissen.
Daß ein Yorkie einen Rotti tödlich verletzt hat, habe ich hingegen noch nie gehört.
Bei der Adoption eines zweiten Hundes sollte man also unbedingt darauf achten, daß die Hunde das gleiche „Kaliber“ haben.
Es kommt nicht auf den Zentimeter oder das Gramm an.
Aber allzu groß sollte der Unterschied nicht sein.
Dann haben die Hunde etwa das gleiche Kräfteverhältnis. Sie stehen im Rudel auf einer Stufe – nämlich UNTER dem Menschen.
Die Wahrscheinlichkeit einer ernsthaften oder sogar tödlichen Verletzung ist wesentlich geringer.
Die Kommunikation zwischen den Hunden ist möglich.
Wenn man dann noch darauf achtet, daß beide ungefähr das gleiche Alter, den gleichen Charakter und ähnliche Interessen haben, steht einem Zweithund nichts mehr im Wege.